Zwischen Himmel und Meer: Casa Rotonda von Cini Boeri auf La Maddalena
Cini Boeri hatte eine ganz besondere Beziehung zu La Maddalena: Sowohl das berufliche als auch das private Leben der Mailänder Architektin waren eng mit der Insel vor der Nordostküste Sardiniens verknüpft. "Die ,Casa Rotonda‘ hat meine Großmutter 1966 für einen entfernten Verwandten entworfen", erinnert sich Antonio Boeri, selbst Architekt, Enkel von Cini und Sohn von Stefano Boeri. "Wenig später baute sie die ,Casa Bunker‘ für ihre eigene Familie. Bei der ,Casa Rotonda‘, so sagte sie, sei es für sie ganz selbstverständlich gewesen, ein Gebäude zu konzipieren, das zwar vor den starken Winden geschützt ist, das sich aber dennoch dem Meer zuwendet." Es ist faszinierend, wie sich das Haus in die Felsen bettet und eine Symbiose mit der wilden, von Macchia begrünten Landschaft eingeht. Zugleich erzielt das Gebäude, dessen Silhouette an ein eingedrehtes Schneckenhaus erinnert – oder auch an eine verkleinerte mittelalterliche Stadtanlage mit Schießscharten in den Mauern –, mit seiner Extravaganz viel Aufmerksamkeit.
Der Grundriss der Casa Rotonda
Dem Grundriss liegt die architektonische Philosophie Cini Boeris zugrunde: Elementar war für sie die räumliche Freiheit der Bewohner, die maximale Autonomie. Und so gibt es eine klare Trennung zwischen den privaten Räumen, die Rückzugsmöglichkeiten gewähren, und den gemeinschaftlich genutzten Bereichen. Boeri hat damals sogar extra zwei Schlaftrakte eingeplant, einen für die Familie, einen für Gäste. Aus jedem dieser Zimmer führt eine Tür nach draußen, um unmittelbar außerhalb der Mauern in die Natur eintauchen zu können. Zentraler Treffpunkt ist der Innenhof, eine kreisförmige Piazza, wo alle – vollkommen windgeschützt – an einem hufeisenförmigen Tisch, im Schatten oder in der Sonne, zusammenkommen können.
Casa Rotonda: Holz als strukturierendes Element
Einen Kontrast dazu bilden hölzerne Fußleisten, Treppenstufen und Ablagen entlang der gewölbten Wände, auf denen sich die Bücher einer umfangreichen Bibliothek aneinanderreihen. Der warme Ton wiederholt sich in den Rahmen der Fenster und Türen. Im Zusammenspiel scheinen diese dunkleren Elemente das helle Ambiente zu erden. Gleiches gilt für die Schlafzimmer, die zum Teil in Himmelblau gestrichen sind und ebenfalls durch mahagonifarbenes, glänzendes Holz strukturiert werden. Gerade im Winter – die Bewohner fahren ein paar Mal im Jahr in ihr Paradies, nicht nur im heißen italienischen Sommer –, kann man sich gut vorstellen, wie behaglich das wirkt. Einen Bruch im pastelligen Farbkonzept bewirken die Werke verschiedener italienischer Künstler im Wohnzimmer. Gemeinsamer Nenner der Bilder, die zu einer Sammlung gehören, die in den Siebzigerjahren als Ganzes auf der Biennale erworben wurde, sind Streichhölzer. Damals en vogue: die Farbe Orange.
Casa Rotonda – eine besänftigende Schönheit
Nicht nur das Innere, auch das Äußere der "Casa Rotonda" unterliegt einem durchdachten farblichen Konzept. Während sich die vertikalen Mauern mit ihrem Rosaton den nahen Felsen anpassen, sind die horizontalen Flächen wie das Flachdach und der zentrale Innenhof weiß gestrichen. Damit ist sichergestellt, dass sich diese Bereiche trotz der intensiven Sonneneinstrahlung nicht allzu sehr auf heizen. "Wir sind uns bewusst, dass wir in einem ikonischen Haus wohnen", so Francesca Luchi. "Was wir aber vor allem schätzen, ist seine Einfachheit und die Annehmlichkeiten wie die offenen Räume für das Zusammenleben sowie die privateren Zimmer mit ihren Zugängen ins Freie und den geselligen Innenhof. So spektakulär der Anblick der ‚Casa Rotonda‘ sein mag, die sanfte Schönheit der runden Struktur entfaltet sich am eindruckvollsten, wenn man sich im Inneren befindet."