Interview: „Wohnen wird smarter, Heizen effektiver“
Der Begriff „Smart Home“ impliziert Komfort, Sicherheit und Energieeffizienz. Trotzdem scheuen sich viele Verbraucher, sich dem komplexen Thema zu nähern. Wie lässt sich die Scheu überwinden?
S.K.: Unsere Systeme sind extrem einfach zu installieren. Es gibt kabellose Lösungen und jedes Anwendungsfeld lässt sich separat angehen. Außerdem werden keine Daten abgefragt oder gesammelt, lediglich die IP Adresse müssen wir aus technischen Gründen erfassen. Dass passiert aber sicher verschlüsselt. Besonders einfach ist der Start mit unseren smarten Heizkörperthermostaten. Das alte Thermostat wird einfach abgedreht und das neue aufgeschraubt. Das dauert nur wenige Minuten.
H.A.: Man muss auch keine Sorge haben, dass da Wasser fließt. Wir haben auf unserer Webseite und unserem Homematic IP YouTube-Kanal Video-Tutorials online gestellt, wodurch sich schnell nachvollziehen lässt, wie unkompliziert der Wechsel ist.
Die Installation von smarten Thermostaten in einem der Gebäudetrakten der Berufsbildenden Schulen II in Leer war ein Experiment, um Einsparungen förmlich erlebbar zu machen. Wie sind Sie dabei vorgegangen, um Vergleiche ziehen zu können?
H.A.; Zur Vorbereitung sind bereits die Energieverbräuche beider Komplexe erhoben worden, so dass wir genaue Referenzwerte zur Verfügung hatten. Den Nord-West-Teil haben wir mit unseren smarten Heizkörper- und zusätzlichen Wandthermostaten sowie Fensterkontakten ausgerüstet. Diese wurden so programmiert, dass die Temperatur automatisch abgesenkt wird, wenn am Wochenende oder in den Weihnachtsferien kein Schulbetrieb herrscht. Bei geöffnetem Fenster – unsere Testphase lag in der Zeit, als Corona regelmäßiges Querlüften notwendig machte – wurde die Temperatur ebenfalls heruntergeregelt.
Hat Sie das Ergebnis der Studie in ihren Erwartungen bestätigt?
S.K.: Tatsächlich standen bis zu dreißig Prozent Einsparungen im Raum. Dass sich die Zahl genauso ergeben hat, war vielleicht keine Überraschung, aber doch ein grandioser Wert. Immerhin gab es den Standortnachteil durch die Nordwestlage mit weniger Sonnenlicht als beim Vergleichsgebäude.
H.A.: Unsere Testphase lag in der Heizperiode von Mitte Oktober bis Ende Januar. Natürlich ist das errechnete Einsparpotential stark vom Verhalten abhängig. Wer immer diszipliniert die Heizung beim Verlassen des Zimmers oder beim Fensteröffnen herunterdreht, hat seinen Verbrauch schon weitestgehend optimiert. Aber die Praxis zeigt, dass dieses insbesondere im Mehrfamilienhaushalt mit Kindern kaum noch möglich ist.
Energie wird zunehmend teurer und knapper. Zudem benötigen Haushalte durch die zunehmende Technisierung immer mehr Strom. Wie lässt sich der Verbrauch reduzieren und effizient steuern?
H.A.: Ein nützliches Instrument sind smarte Steckdosen. Durch Abschalten bei Nichtgebrauch – beispielsweise während der Nacht – lassen sich schnell erhebliche Mengen einsparen. Schon eine Kilowattstunde am Tag macht schließlich 365 fürs Jahr. Und das ohne irgendeinen Komfortverlust.
S.K.: Richtig. Man denke nur an Zirkulationspumpen für Heizung oder Frischwasser, die oftmals ständig laufen. Dabei kann man die Zeiten meist genau festlegen. Einmal eingerichtet passiert alles von selbst. Je nach Bedarf lassen sich die Szenarien auch wieder leicht und schnell ändert.
Welche Empfehlung geben Sie bei der Aufrüstung des Bestandsbaus?
S.K.: Die drei spannendsten Themen sind dabei das Raumklima, die Beschattung und das Licht. Beim Heizen kann man direkt sparen, ohne Komfort einzubüßen. Und auch die Regelung der Rollläden ist einfach nachzurüsten. Wir bieten Lösungen zur Steuerung von Rollläden, Jalousien und Markisen an und sind mit vielen Herstellern sehr gut vernetzt.
H.A.: Dazu messen Sensoren am Fenster die Helligkeit, man kann die Einstellung auch an den Sonnenaufgang- und Untergang koppeln. Das spart ein bis 2,5 Grad Celsius Raumtemperatur. Und auch unter Sicherheitsaspekten sind variabel steuerbare Rollos ein Thema. So lässt sich Anwesenheit simulieren und wer will, koppelt das System gleich mit einem Alarmsensor.
Welcher Aspekt aus der Produktpalette Ihrer Smarthome-Technologie ist der am meisten nachgefragte?
H-A.: Ganz klar das Heizen. Unser erstes elektrisches Thermostat ist jetzt zwanzig Jahre alt und im Grunde hat sich an der Funktion und Montage seit damals nichts verändert. Was den Komfortgewinn ausmacht, ist die smarte Steuerung per App. Das gab es damals natürlich noch nicht. Aber durch sie ist die Benutzung noch komfortabler und beliebter geworden.
Wie wird sich das Wohnen aus Ihrer Sicht in den nächsten Jahren verändern? Wo liegt Ihr Fokus bei eQ-3?
S.K.: Wohnen wird definitiv immer smarter. Man kann das ganz gut mit der Automobilindustrie vergleichen, wie viel Technik inzwischen heute in einem modernen Auto steckt. In der Architektur werden Neubauten heute fast schon standardmäßig smart vernetzt. Dass bedeutet auch, dass es immer weniger Insellösungen gibt. Trotzdem kann man jederzeit auch klein einsteigen und nach und nach aufrüsten. Das ist das Gute an unserem System Homematic IP: Es aufbaufähig ist und verlässlich erweiterbar.
H.A.: Ich denke, das Energiemanagement ist das kommende große Thema. Denn während fossile Energien zumindest für den Moment immer verfügbar sind, müssen Solarenergie und Wind gespeichert werden. Oder eben der Verbrauch der Verfügbarkeit angepasst werden. Das kann das Laden des Autos betreffen, und das Auto wird dann zugleich auch zum Speicher für den Haushalt. Auch das ist schon möglich.
Und zum Schluss: Können Sie uns einen Ausblick geben, an welchen Entwicklungen Sie gerade arbeiten?
S.K.: Wir haben mehr als 150 smarte Homematic IP Produkte, und das Ziel ist, noch mehr Anwendungsmöglichkeiten zu bieten. Dazu kooperieren wir mit beispielsweise mit Partnern im Fensterbau. Da kommt bald einiges, was sicher wieder attraktiv für Smarthome-Einsteiger und Fortgeschrittene sein dürfte.