Design
Design

Patricia Urquiola x Heimtextil 2025: Eine Hommage an das textile Experiment

Die Heimtextil ist die international größte Messe für Wohn- und Objekttextilien. Vom 14. bis 17. Januar 2025 nutzt Patricia Urquiola die Plattform in Frankfurt für ihre Installation „Among-us“. Ein Gespräch über die Bedeutung von Textilien, das Zusammenspiel von Sehen, Fühlen und Zeit sowie die Freude am Experiment
Text Uta Abendroth
Datum22.11.2024

AW: Sie haben eine große Affinität zu Stoffen und arbeiten seit Jahren mit renommierten Herstellern. Wie kam es jetzt zu der Zusammenarbeit mit der Heimtextil?
Patricia Urquiola: Unsere Kooperation mit der Heimtextil begann durch eine Empfehlung von Gita Mirchandani, die wir schon seit vielen
Jahren kennen und die ihre Agentur Gita PR in New York, Chicago und Mumbai betreibt. Wir haben im Februar 2023 Gespräche mit dem Heimtextil-Team aufgenommen und die Partnerschaft hat sich im Laufe des vergangenen Jahres stetig weiterentwickelt.

AW: Was reizt Sie an einer Fachmesse?
Patricia Urquiola: Die Heimtextil passt gut zu uns, weil sie mehr ist als nur eine Messe. Sie ist eine Gelegenheit, einen gegenseitigen Dialog zu pflegen, der während der Messetage beginnt, dann aber das ganze Jahr über andauert. Wir sprechen nicht nur mit BranchenspezialistInnen, sondern mit allen, die mit Tex- tilien zu tun haben oder sich dafür interessieren. Das alles zusammen bietet eine neue Perspektive. Es ist ein evolutiver Ansatz, der sich auf ein breites Engagement konzentriert. Wir wollen sowohl zuhören als auch präsentieren, wobei wir die physische Präsenz schätzen und einen sinnvollen Austausch schaffen.

Die Designerin und Architektin Patricia Urquiola (AW Designerin des Jahres 2012) setzt sich in der Textilbranche für Innovation und Nachhaltigkeit ein – und natürlich für gute Gestaltung

AW: Was ist für Sie das Besondere an der Arbeit mit Textilien?
Patricia Urquiola: Das Entwerfen eines Stoffes erfordert eine offene Herangehensweise an das Projekt. Es geht ja um Dreidimensionalität, auch wenn Textilien aus der Nähe betrachtet oft eher als zwei- dimensional wahrgenommen werden. Die Herausforderung für mich als Designerin besteht darin, ein Ergebnis zu erzielen, bei dem all die Schwierigkeiten des Entwurfs- und Produktionsprozesses unbemerkt bleiben. Was Textilien wirklich besonders macht, ist ihre Rolle als lebendiges und reaktionsfähiges Material. Genau wie andere Materialien dient auch Stoff als eine Art Membran, die in gewisser Weise eine Zeit-Schicht trägt. Diese Membran kommuniziert visuell und durch Berührung, sie weckt Emotionen und stellt eine Verbindung zum Benutzenden her. Beim Anblick eines Textils werden bestimmte Erwartungen geweckt und sobald man mit ihm physisch interagiert, antwortet es und stellt eine einzigartige Beziehung her. Dieses Zusammenspiel von Sehen, Fühlen und Zeit macht die Arbeit mit Textilien so faszinierend.

Cimento ist ein innovatives Material, das auf zementbasierten Technologien beruht und für Architektur sowie Designanwendungen entwickelt wurde
"Was Textilien wirklich besonders macht, ist ihre Rolle als lebendiges und reaktionsfähiges Material."
Patricia Urquiola

AW: Können Sie uns etwas über die Installation „Among-us“ verraten, die Sie mit Ihrem Studio für die Heimtextil planen?
Patricia Urquiola: Die Installation „Among-us“ setzt unsere kontinuierliche Erforschung der Möglichkeiten von Textilien fort, indem wir sie in verschiedenen Maßstäben anwenden: vom Produktdesign bis hin zu Innenräumen und Architektur. Dieses Projekt dient sowohl als Entspannungsraum für die BesucherInnen der Heimtextil als auch als Plattform für den Austausch über die laufende Textilforschung. „Among-us“ soll ein breiteres Gespräch anregen, das sich nicht auf Fachleute der Branche beschränkt, sondern jeden einbezieht, der sich für Materialien und ihre sich verändernde Rolle interessiert.

AW: Was verbirgt sich hinter dem Namen „Among-us“?
Patricia Urquiola: Der Name „Among-us“ spiegelt ein Gefühl von Gemeinschaft und gemeinsamer Erfahrung wider, etwas, das „zwischen uns“ oder „in unserer Mitte“ passiert. Er verweist auch auf eine Spielzeugserie kleiner, weicher Kreaturen, die Pilzen ähneln, und spielt auf die Idee an, dass textile Formen lebende Organismen sind. Diese Formen innerhalb der Installation sollen die BesucherInnen dazu einladen, sich körperlich mit den Textilien auseinanderzusetzen und zu erfahren, wie die Materialien auf Berührung reagieren, wodurch eine Beziehung zwischen Objekt und BenutzerInnen entsteht.

Das Insula-Modularsofa ist Patricia Urquiolas moderne Interpretation der traditionellen Sitzmöbel aus den arabischen Majlis, den Räumen, in denen sich Menschen versammeln, diskutieren, Gäste empfangen und zu unterhalten

AW: Wie gehen Sie an Projekte wie dieses heran?
Patricia Urquiola: Jedes Projekt ist eine Geschichte für sich und jedes Mal erlebe ich Beziehungen zu Unternehmen, die sich auf ihre jeweils ganz eigene Art
und Weise voneinander unterscheiden. Aber ich versuche stets, mich von meiner Neugierde und unseren Recherchen leiten zu lassen. Bevor ich ein neues Projekt beginne, beschäftige ich mich gerne eingehend mit dem Unternehmen. Ich muss die bestehenden Beziehungen verstehen, die Marke, die NutzerInnen, die Produkte ... Ich respektiere die Marken, mit denen ich arbeite und versuche, mich mit ihnen gemeinsam weiterzuentwickeln. Ich experimentiere gerne und wage etwas, ich fordere mich selbst, das Unternehmen und die Materialien heraus. Und ich versuche ständig, mich aus meiner Komfortzone herauszubewegen und jedes Mal etwas zu lernen. Ich mag es, Menschen mit ihren Räumen zu verbinden, mit einer emotionalen Erinnerung.

AW: Worauf legen Sie besonderen Wert bei Ihrer Arbeit?
Patricia Urquiola: Unser kreativer Prozess bewegt sich seit Langem auch in Richtung neuer Wege, unsere Arbeit zu erledigen. Wir überdenken die gesamten Produktionszyklen von den ersten Ideen bis zum Transport. Daher liegt meine Priorität auf der Forschung, sei es im Hinblick auf neue Materialien, die Wiederverwertung von Abfallstoffen oder die Integration von Technologie in die Handwerkskunst. Ich glaube, dass ich immer versuchen sollte zu experimentieren und etwas Neues
zu kreieren.

Die Arbeit von Patricia Urquiola als überdimensionales Wandbild

AW: Was bedeutet es für Sie, gleichzeitig Designerin und Architektin zu sein?
Patricia Urquiola: Ich genieße den kreativen Prozess und die damit einhergehende Forschung. Ich mag es, ihn auf verschiedene Projektmaßstäbe auszudehnen und die Freiheit zu haben, mich zwischen ihnen zu bewegen. Ich habe in Spanien Architektur studiert und mein Studium dann in Italien abgeschlossen, wo die Architekturausbildung auch viele andere Disziplinen wie Design in all seinen Formen oder Szenografie umfasste. Design ist sehr direkt: Man arbeitet in kleinen Teams zusammen und sieht, wie aus einer anfänglichen Idee ein Produkt entsteht, das Teil unseres täglichen Lebens wird. Andererseits fasziniert mich auch die Komplexität der Architektur, diese Synthese, die komplexe Systeme des Lebens funktionieren lässt. Eine Lebensweise, die aus einer immer weiter gefassten und umfassenderen Perspektive heraus konzipiert wird und die kreative Synthese, körperliches und geistiges Wohlbefinden im Dienste der anderen einschließt. In meinem Atelier arbeiten die beiden Abteilungen sehr eng zusammen und sind mit- einander verbunden. Das hilft uns, Lösungen zu finden und unsere Ideen wachsen zu lassen – so wie für die Heimtextil-Installation. •

Nicht verpassen: Termintipp für den Kalender

Die Heimtextil 2025, die führende internationale Fachmesse für Wohn- und Objekttextilien, findet vom 14. bis 17. Januar 2025 in Frankfurt am Main statt. Sie präsentiert die neuesten Trends in nachhaltigem Design, innovativen Materialien und technischen Textilien. Ein Muss für die globale Textilbranche und Kreative.

Design