Design-Ikonen von 1900 - 1950
Von Thonet bis Oskar Zieta: A&W präsentiert eine Auswahl der Design-Ikonen seit 1900 bis in die erste Dekade des 21. Jahrhunderts.
1900
Noch bestimmen Handwerker mit Einzelwerken die Gestaltung. Nur Thonet startet erste Serienmöbel. Einige Entwürfe waren ihrer Zeit so weit voraus, dass sie noch heute frisch und modern sind.
1900
Gebrüder Thonet
209
Zu seinen Fans zählen berühmte Architekten, viele Gestalter hat er beeinflusst. Der „Schreibtischfauteuil Nr. 9“, (heute 209), besser bekannt unter dem Namen „Wiener Sessel“ wurde von den Gebrüdern Thonet (gegr. 1849) um 1900 entworfen und hergestellt. Das augenscheinlichste Gestaltungsmittel, nämlich der ausladende Bügel, der gleichzeitig Arm- und Rückenlehne bildet, ist aus massivem, gebogenem Buchenholz.
Der Däne Poul Henningsen schwärmte 1927: „Dieser Stuhl löst zur Vollkommenheit seine Aufgabe, ein leichter, bequemer Armlehnstuhl mit niedriger Lehne zu sein.“ Und der Schweizer Le Corbusier lobte ihn mit den Worten: „Noch nie ist Eleganteres und Besseres in der Konzeption, Exakteres in der Ausführung und Gebrauchstüchtigeres geschaffen worden.“ Überzeugt von der einzigartigen Qualität des Möbels setzte er es in vielen seiner Gebäude ein, etwa in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung. Die Amerikaner George Nelson und Norman Cherner nahmen ihn zum Vorbild für eigene Stuhlentwürfe (siehe Cherner Chair, 1958).
1902
Charles Rennie Mackintosh
Hill-House-Stuhl
Das Gestalten von Stühlen hatte es dem schottischen Allrounder Charles Rennie Mackintosh (1868–1928) angetan. Und hier galt sein Hauptaugenmerk der Rückenlehne – wie beim berühmten „Hill House“-Stuhl, den der Glasgower 1902 für das gleichnamige Haus des Verlegers Walter W. Blackie in Helensburgh entwarf.
Typisch sind die geraden Linien in Verbindung mit weichen Kurven, eine sparsame Dekoration, die sich auf Schachbrettmuster und Gitterwerk beschränkt. Die hohe Rückenlehne, die nicht nur dieses Möbel auszeichnet, stand im krassen Kontrast zu den opulenten Formen des kontinentaleuropäischen Jugendstils und zu dem eher streng-maskulinen Stil des englischen Arts and Crafts, und stieß in seiner Heimat auf wenig Gegenliebe. Ganz im Gegensatz zu Deutschland und Österreich, wo die Gestaltungsart des Schotten einen großen Einfluss ausübte, besonders auf Koloman Moser und Josef Hoffmann.
Den schwarzen „Hill House“-Stuhl schuf Mackintosh für das Schlafzimmer, er stand gemeinsam mit einem zweiten in einem weißen Raum – die beiden wurden bewusst als ausdrücklich dekorative Gegenstände inszeniert. Erst ab 1973 wurde der Stuhl bei Cassina serienmäßig hergestellt.
1908
Otto Blümel
Garderobe Nymphenburg
Vielseitigkeit kennzeichnet das Leben und Werk von Otto Blümel (1881–1973). In Augsburg als Sohn eines Anwalts geboren, begann er 1901 ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule München, das er 1904 nach dem Tod seines Vaters abbrechen musste. Blümel war befreundet mit Hermann Hesse, für dessen Bücher er Illustrationen, Scherenschnitte und Einbandzeichnungen anfertigte.
Er ging an die reformorientierte Kunstschule von Wilhelm von Debitzsch in München, wurde deren Mitarbeiter. 1907 – im Jahr der Werkbundgründung – übernahm er dort die neu errichtete „Klasse für Möbelentwurf“, arbeitete für die Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“ in München, leitete deren Zeichensaal. In dieser Zeit entstanden seine Möbelentwürfe, von denen der Garderobenständer „Nymphenburg“ von 1908 der bekannteste ist.
Gedacht war er für eine längst untergegangene Welt der Kaffee- und Wirtshäuser. Dennoch wirkt er (von Classicon hergestellt) über 100 Jahre nach seinem Entwurf immer noch frisch und aktuell.
1908
Josef Hoffmann
Nr. 670
„Die „Sitzmaschine“ von 1907/08, ein Werk Josef Hoffmanns (1870–1956), stellt den Übergang von herkömmlichen Formen in die geometrische Abstraktion dar. Sie wurde von Jakob und Josef Kohn angefertigt und ist als Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne zu sehen. Diese Tendenz zur Reduktion auf geometrische Formen – die sichtbare Konstruktion aus gebogenen Vierkanthölzern, quadratisch durchbrochener Sperrholzlehne und halbkreisförmigen nach hinten geschwungenen Armlehnen – war dann typisch für die Wiener Werkstätten.
Die Kugeln daran, ebenfalls ein Markenzeichen Hoffmanns, sind nicht nur dekoratives Element, sie erfüllen auch eine klare Funktion: Zwischen ihnen lässt sich die Stange zur Neigung der Rückenlehne arretieren, dem Untergestell verleihen sie Stabilität. Es gab eindeutige Vorläufer, der berühmteste ist der sogenannte „Morris-Chair“ von Philip Webb aus dem Jahre 1866 – ein typisches Möbel der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung. Es wird angenommen, Hoffmann habe die von Wittmann reedierte Sitzmaschine, die ursprünglich „Nr. 670“ und je nach Ausführung „Nr. 669“ hieß, für das Sanatorium in Purkersdorf entworfen. Dann wäre sie Teil eines Gesamtkunstwerks.
Josef Hoffmann ist für Wien und das Museum für Angewandte Kunst so wichtig, weil er eng mit dem Hause verbunden ist und vielfach für das Ausstellungsdesign verantwortlich war.“ – Christoph Thun-Hohenstein, Direktor des Museums für Angewandte Kunst, Wien
1910
Expressionismus und der Kubismus bestimmen die Ästhetik vor dem Weltkrieg. Und die Möbelentwürfe orientieren sich an den schönen Künsten. Design beginnt sich einen Namen zu machen.
1913
Josef Gočár
Glasschrank
Während im Westen vor allem Maler und Bildhauer kubistische Werke schufen, gaben im Osten besonders in Prag Architekten und angewandte Künstler in dieser Stilrichtung den Ton an. Sie gründeten Klubs und Zeitschriften, schrieben nicht nur Programme und Manifeste, sondern entwarfen, bauten und gestalteten an ihrer Vision einer Stadt und eines Lebens der Zukunft. Architekt Josef Gocár (1880–1945) ist heutigen Prag-Besuchern als Erbauer des Hauses „Zur Schwarzen Mutter Gottes“ geläufig, das 1911/12 entstand.
Aus dem Jahr 1913 stammt sein „Glasschrank“, der herkömmliche Formen auflöst, ohne auf handwerkliche Präzision zu verzichten. Beinah wie in einem Animationsfilm scheint das Möbel ein Eigenleben zu haben, scheint zu tanzen, sich zu drehen. Das Spiel mit kristallinen Formen, mit gebrochenem und reflektiertem Licht sorgte schon bei der Werkbund-Ausstellung in Köln 1914 für Aufsehen.
1917
Bruno Marstaller
Bema/Moretta
Zuerst tauchten ähnliche Sitzgelegenheiten in Feldlagern der Britischen Expeditionsarmee in Asien und Afrika auf, wo Offiziere ihn als komfortables Möbel schätzten. Der Stuhl ist zerlegbar, nimmt zusammengepackt wenig Platz ein, ist in sich beweglich und gleicht daher Bodenunebenheiten ohne Weiteres aus.
Benno Marstaller (1870–1947), Gründer der Münchener Traditionsfirma, machte daraus ein Produkt für den Alltag. Der nach den ersten beiden Buchstaben von Vor- und Nachnahme Marstallers benannte „Bema“-Stuhl wird bis heute hergestellt.
Das erste Exemplar erhielt 1917 angeblich Kaiser Wilhelm II. Die von Zanotta reproduzierte Version (Bild) heißt „Moretta“. Der Entwurf diente als Vorbild für Regiestühle ebenso wie dem Schweizer Designer Wilhelm Kienzle für seinen „Kolonialfauteuil“ (um 1928), das vom Schweizerischen Wohnbedarf vertrieben wurde. Der Däne Kaare Klint interpretierte ihn als „Safari“-Sessel für Rasmussen (um 1933). Unterschiede gibt es vor allem bei Material und Details der Beine sowie bei der Polsterung. Mit ihm zogen Robustheit und Archaik ins Wohnzimmer.
1920
Neue Sachlichkeit: Demokratisches Design war das Gebot der Stunde, die Avantgarde der Designer und Architekten studierte am Bauhaus, und Stahlrohr wurde zu dem Lieblingswerkstoff der klassischen Moderne.
1924
Marcel Breuer
Kinderstuhl
„Die von Marcel Breuer (1902–1981) entworfenen Stühle wurden 1924 in der Tischlerei des Bauhauses in Weimar hergestellt. Den Werkstattberichten zufolge wurden im Sommer desselben Jahres mehr als vierzig Kinderstühle produziert, die offenbar von einem Kindergarten in Auftrag gegeben worden waren. Die Maße der Stühle sind an der Größe der Kinder unterschiedlichen Alters orientiert: Sie „wachsen“ gewissermaßen mit. Die Stühle gehören zu Breuers frühen Möbeln, die als skulpturale Konstruktionen zu verstehen sind, bei denen zwischen tragendem Gerüst aus schlanken Profilen und Flächen aus dünnen Materialien unterschieden wird. Obwohl beispielsweise die Regeln des De Stijl zu einer intensiven Auseinandersetzung geführt haben, lag dem Entwurf Breuers dennoch kein künstlerischer, sondern ein funktionaler Ansatz zugrunde. Die Stühle waren zudem haltbar, günstig, von einer schlichten Schönheit und für die serielle Herstellung tauglich. Damit erfüllten sie die von Walter Gropius für das Bauhaus formulierten Grundsätze.“ – Annemarie Jaeggi, Direktorin des Bauhaus-Archivs, Berlin
1925
Marcel Breuer
B3
Ein Fahrradlenker war es, der Marcel Breuer (1902–1981) zu seinen Experimenten mit Stahlrohr inspiriert haben soll. 1925 wurde der junge Designer zum Leiter der Möbelwerk- statt am Bauhaus Dessau berufen – und begann, sich mit dem für die Möbelfertigung neuen Werkstoff zu beschäfti- gen. „B3“, der berühmteste dieser Entwürfe, wurde für das Wohnzimmer des Künstlers und Bauhaus-Kollegen Wassily Kandinsky entwickelt, weshalb er später den Beinamen „Wassily-Stuhl“ bekam. Der Sessel verkörpert die Bauhaus- Idee von demokratischem Design: Er ist leicht, stabil und dank einfacher Steckverbindungen für die Massenproduk- tion geeignet. Der Reiz des damals neuen Materials wird unterstrichen durch die offenen Verbindungen, jede Schrau- be durfte und sollte gesehen werden. „B3“ war auch eine neue Definition dessen, wie ein Sessel aussehen kann: Man lehnt sich auf der schrägen Sitzfläche gemütlich zurück wie in einem Clubsessel, ohne ein schweres, massives Möbel in der Wohnung zu haben. In den 60er-Jahren begann die italienische Firma Gavina mit einer Neuauflage unter dem Namen „Wassily Chair“, seit der Übernahme der Firma produziert Knoll International den Bauhaus-Klassiker.
1926
Mart Stam
S 33 Kragstuhl
Nicht nur Marcel Breuer experimentierte in den 20er-Jahren mit Stahlrohr, auch der niederländische Architekt Mart Stam (1899–1996) zeigte 1926 einen auskragenden Stuhl aus Stahlrohr in der Ausstellung der Weißenhofsiedlung. Allerdings war seine Version etwas steifer und weniger flexibel als Marcel Breuers ebenfalls 1926 entworfenes Modell „B32“, das beim Sitzen leicht nachgeben konnte und durch die Elastizität den Eindruck verschaffte, man würde auf einem Luftkissen sitzen.
Thonet produzierte „B32“ ab 1929, woraufhin Anton Lorenz, der Rechteinhaber von Mart Stam, einen Urheberrechtsstreit anstrengte. 1932 wurde Mart Stam die künstlerische Urheberschaft am kubischen Freischwinger zugesprochen, Marcel Breuer bekam zunächst keine Tantiemen für den „B32“, der – allerdings als „S32“ – bis heute von Thonet produziert wird. Dagegen konnte Mies van der Rohe, dessen Freischwinger „MR10“ und „MR20“ ab 1927 hergestellt wurden, sein Urheberrecht durchsetzen mit dem Argument, dass die rund geformten Vorderbeine seine Erfindung waren.
1927
Eileen Gray
Adjustable Table
Eileen Gray (1878–1976), zweifellos eine der wichtigsten Designerinnen des 20. Jahrhunderts, war Tochter einer irisch-schottischen Aristokratenfamilie und ging nach ihrem Studium nach Paris, wo sie Interieurs gestaltete und die Galerie Jean Désert betrieb, um ihre Möbel zu verkaufen. Nachdem sie den rumänischen Architekten Jean Badovici getroffen hatte, konzentrierte sie sich auf die Architektur – und baute mit ihm und für ihn 1924 das Haus „E 1027“ in Rocquebrune an der Côte d’Azur.
Auch das Interieur für das moderne Haus an den Klippen entwarf Gray selbst – und dabei entstanden ihre bekanntesten Möbel. Neben dem „Bibendum Chair“ ist der höhenverstellbare „Adjustable Table“ ihr berühmtestes Stück. Inspiriert von Marcel Breuers Stahlrohr-Experimenten am Bauhaus Dessau, arbeitete Gray mit dem neuen Material, ließ es aber eleganter und weniger rationalistisch wirken. Angeblich dachte Gray bei dem Entwurf des Tischchens an eine ihrer Schwestern, die liebend gern ihr Frühstück im Bett einnahm. Das Stück ist einer der meistkopierten Designklassiker und wird von Classicon ediert.
1930
Weltwirtschaftskrise und der Blaue Engel, Zwölftonmusik und Volksempfänger – eine Dekade voller Gegensätze brachte einfache und innovative Design-Entwürfe in Schichtholz und Stahlblech.
1934
Christian Dell
6631 Luxus
Unter ihrem Licht waren Kriminelle geständig – im fiktiven wie im wirklichen Leben. Die „Luxus 6631“ von Christian Dell (1893–1974) stand nicht nur auf den Schreibtischen von TV-Kommissaren wie Haferkamp und Keller, sondern auch in vielen Arbeitsräumen der Polizeibehörde und nicht nur dort. Sie war in den 1950er-Jahren die häufigste Schreibtischleuchte in deutschen Büros.
Das lag daran, dass die Leuchte, die der ausgebildete Silberschmied und spätere Leiter der Metallwerkstatt am Weimarer Bauhaus um 1934 für die Lampenfabrik Gebrüder Kaiser & Co. entworfen hat, funktional war und formal in die Zukunft wies. Die asymmetrische Form des Lampenschirms aus lackiertem Stahlblech sorgt für eine optimale Lichtstreuung. Das typische Kugelgelenk am Fuß der Platte, durch die das Kabel geführt wurde, ließ Christian Dell sich patentieren. Die berühmte Arbeitsleuchte wird immer noch produziert, heute von Fritz Hansen.
1938
Hans Coray
Landi-Stuhl
„Der Stuhl gilt zu Recht als Königsdisziplin für Designer: Obwohl die Rahmenbedingungen wie Sitzhöhe, Anzahl der Beine und statische Anforderungen eng gesteckt sind, werden jährlich Hunderte neue Modelle entwickelt. Insofern spiegeln Stühle die „vitalen Ideen“ und den gestalterischen Kontext ihrer Entstehungszeit besonders gut. Dies gilt auch für den „Landi-Stuhl“ von Hans Coray (1906–1991), den er anlässlich der Schweizerischen Landesausstellung von 1939 entworfen hatte. Coray wollte die Schweizer Wirtschaft zeitgemäß repräsentieren. Ohne eigene Rohstoffe, setzte die Industrie schon früh auf die energieintensive Aluminiumproduktion, welche dank der Wasserkraft aus den Bergen günstig war. Begeistert schrieben Zeitgenossen von „der weißen Kohle“, die den „Landi“ als unglaublich leichten, ergonomischen, federnden, stapelbaren und formschönen Stuhl erst möglich machte. Andererseits repräsentierte der Stuhl einen modernen und eleganten Gegenentwurf zum nationalen Formvokabular jener Jahre.“ Nur echt mit 91 Löchern, wird er heute von Westermann wieder aufgelegt." – Christian Brändle, Direktor des Museums für Gestaltung, Zürich
1939
Holger Nielsen
Vipp-Treteimer
Der Däne Holger Nielsen (1911–1992) gewann 1931 mit einem Lotterielos ein Auto. Leider war er erst 17 Jahre alt und hatte keinen Führerschein. Er verkaufte den Wagen und setzte den Erlös für den Kauf einer Metalldrehbank ein. Nur acht Jahre später entwarf der frisch Vermählte für den Friseursalon seiner Angetrauten, Marie Axelsen, einen Mülleimer. Der Clou: Durch einen Mechanismus ließ sich der Eimer mit einer Fußbewegung öffnen.
Was zuerst nur ein praktisches Einzelstück war, entwickelte sich bald zum Serienmodell, denn Maries Kundinnen orderten das Produkt für die Arztpraxen ihrer Männer. Bis zum Tod des Firmengründers war der „Vipp“-Treteimer ein reines Großkundenprodukt. Als seine jüngste Tochter Jette Egelund die Firma übernahm, öffnete sie einen weiteren Geschäftszweig: Der Treteimer eroberte von diesem Zeitpunkt an auch private Haushalte. Noch immer wird der Eimer von dem dänischen Unter nehmen Vipp nehezu originalgetreu hergestellt.
1939
Jorge Ferrari-Hardoy, Juan Kurchan, Antonio Bonet
Butterfly Chair
Drei junge argentinische Designer namens Jorge Ferrari- Hardoy (1914–1977), Juan Kurchan (1913–1975) und Antonio Bonet (1913–1989), Schüler Le Corbusiers, brachten 1939 auf den Punkt, worum sich Designtheoretiker die Köpfe heiß redeten. Sie schufen ein bequemes, praktisches Sitzmöbel, das leicht, stapelbar und obendrein noch preiswert in der Herstellung war.
Der „Butterfly Chair“ basierte auf dem Prinzip des klassischen Faltschemels, verbunden mit der Leichtigkeit einer Hängematte. Ein Stahlrohrgestell bildet vier Eckpunkte, an denen eine Sitzfläche aus Leder aufgehängt wird. Nachhaltig ist das Design, denn der Bezug kann ausgetauscht werden, ohne das Gestell zu wechseln. Hergestellt wurde der unkomplizierte und bequeme Sessel ab 1941 von Artek-Pascoe, 1947 erwarb Knoll die Rechte. In den 50er-Jahren avancierte der „Butterfly Chair“ zum Kultobjekt – heute produziert von Manufakturplus.
1940
Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt die Blütezeit des amerikanischen und italienischen Designs. Neue Kunststoffe und Serienfertigungstechnologien verdrängen das handgefertigte Möbelstück.
1940
Finn Juhl
Pelikan
Finn Juhl (1912–1989) ist einer der Wegbereiter der dänischen Moderne. Der in Frederiksborg geborene Designer studierte Architektur, baute aber nur einige wenige Häuser und konzentrierte sich bald auf den Entwurf von Möbeln. Seine Entwürfe sah er als einen Weg, um Räumen Ausdruck zu verleihen. Handwerkskunst, Möbel und freie Kunst waren der Dreiklang, mit dem Finn Juhl Räume gestaltete.
Sein 1940 entworfener Sessel „Pelikan“ bringt alles drei zusammen: eine skulpturale, organische Form, einen spielerischen Umgang mit Farbe, perfekte Verarbeitung der handgenähten Bezüge und ein hohes Maß an Bequemlichkeit. Als der exzentrische Sessel zunächst in kleiner Stückzahl auf den Markt kam, nannten ihn Kritiker „ein müdes Walross“. Heute zählt der „Pelikan“ zu den begehrtesten Juhl-Entwürfen und wurde 2003 vom dänischen Hersteller Onecollection wieder aufgelegt. Zum 70. Geburtstag wurde eine Pelikan-Reedition mit Polsterknöpfen auf den Markt gebracht.
1947
Hans Wegner
Peacock
Anders als Alvar Aalto, der Biegetechniken für Schichtholz entwickelte, um moderne Sitzmöbel aus Holz zu gestalten, blieb der dänische Möbeltischler und Designer Hans Wegner (1914–2007) bei traditionellen Holzverarbeitungstechniken. Sein 1947 vorgestellter Sessel „Peacock“ ist eine moderne Variation des klassischen englischen Windsor Stuhls. Die typische Rückenlehne aus gedrehten Stäben zog er auf und flachte die Streben an der Stelle, an der die Schulterblätter aufliegen, ab, sodass sie an Pfauenaugen erinnern.
So verband er bewährte Formtypen, natürliche Materialien und traditionelle Handwerkskunst. „Ein guter Stuhl ist eine Aufgabe, die man nie ganz abschließen kann“, sagte Wegner einmal, und Stühle waren das Thema seines Lebens. Während seines über 70-jährigen Schaffens hat er mehr als 500 Stühle entworfen. Der Peacock Chair wurde zunächst von Carl Hansen & Søn produziert, seit 1991 von PP Møbler.
1948
Ray und Charles Eames
La Chaise
Zwar gewann die Sitzskulptur „La Chaise“, mit der Charles (1907–1978) und Ray Eames (1912–1988) an dem vom MoMA 1948 ausgelobten Wettbewerb „Low-Cost-Furniture-Design“ teilgenommen hatten, keinen Preis, erregte aber wegen ihrer fließend-eleganten Form viel Aufsehen. Sie wurde in dem Katalog, der wegen der großen Beteiligung und der langwierigen Fertigung der Prototypen erst 1950 erscheint, besonders gewürdigt.
„La Chaise“ – der Name ist einerseits eine Hommage des Paares an den franko-amerikanischen Bildhauer Gaston Lachaise, andererseits bedeutet er „Stuhl“. Er besteht aus zwei hauchdünnen, miteinander verklebten Fiberglasschalen. Hartgummischeiben halten diese auf Distanz, der Hohlraum wurde mit Styrol ausgeschäumt. Die Öffnung im Rücken betont die Leichtigkeit der Konstruktion auch optisch. Durch die fünf, teilweise schräg angeordneten Stäbe und das hölzerne Fußkreuz wirkt das Möbel, als würde es schweben. „La Chaise“ wird seit 1990 von Vitra produziert.
1948
Ray und Charles Eames
RAR
Anfangs gab es ihn nur in Pergamentweiß, Hell- und Dunkelgrau. Doch schon wenig später kamen andere Farben dazu. Der „RAR“ gehörte zu einer Reihe von Möbeln, die Charles (1907–1978) und Ray Eames (1912–1988) 1950 für den Wettbewerb „Low-Cost-Furniture-Design“ des MoMA bauten. Das Team hatte einen preiswerten, leichten und vielseitigen Stuhl für junge Familien im Auge – ein Stuhl mit einteiliger Sitz-Rückenschale, die aus einem durchgehenden Metallblech gestanzt werden sollte.
Doch schnell stellte sich heraus, dass die Produktion zu aufwendig und deswegen kostspielig war. Auf der Suche nach einem billigeren Material stießen die Amerikaner auf die Firma Zenith Plastics, die während des Krieges Radarschirme aus glasfaserverstärktem Kunststoff hergestellt hatte. Der Schaukelstuhl gehörte zu den ersten, von Herman Miller hergestellten Varianten. Heute fertigt den „RAR“ die Firma Vitra in Weil am Rhein.
1949
Carlo Mollino
Arabesco
„Dieser Tisch steht einerseits für die Blütezeit des italienischen Designs in der Nachkriegszeit und ist zugleich das Werk eines unverkennbaren, exzentrischen Individuums. Carlo Mollino (1905–1973) hatte das Feingefühl eines Surrealisten, die Form der Tischplatte lässt sich direkt zurück - führen auf die Zeichnung einer liegenden Figur des surrealistischen Künstlers Leonor Fini. Es ist ein phantastischer Tisch, dessen kurvenreiche Formen die Möglichkeiten des Materials Schichtholz ausloten. Der Kontrast zwischen dem warmen, gewellten Holz und dem kalten, harten Glas der Tischplatte verleiht „Arabesco“ etwas Skulpturales. Ich habe mich sehr gefreut, dass wir den Tisch, den Zanotta produziert, in der Sammlung des V&A haben – und wir zeigen ihn, wenn wir die neue Möbelgalerie Ende 2012 eröffnen.“ – Martin Roth, Direktor des Victoria & Albert Museums, London
1950
Die Jahre des Wirtschaftswunders brachten Toast Hawaii, Film Noir und moderne Eleganz: Fliessende Formen und feine Linien bestimmen das Design. So Zukunftsweisend, dass sie auch heute noch nicht alt aussehen.
1951
Rosemarie und Rico Baltensweiler
Type 600
Ursprünglich bauten die Schweizer Innenarchitektin Rosemarie Baltensweiler (*1920) und ihr Ehemann Rico (1920– 1987), Ingenieur bei der Schweizer Bundesbahn, die Leuchte „Type 600“ für den Eigenbedarf. Es fehlte ihnen ein flexibles Licht im Wohnzimmer, und so entwickelten sie die Stehleuchte, die mit sechs Gelenken größtmögliche Beweglichkeit bot und bei aller Eleganz noch ausreichend stabil war. Das feingliedrige Wesen überzeugte nicht nur die Designer, sondern auch Freunde, Kunden und den Hersteller Knoll International.
1956 nutzte Le Corbusier „Type 600“ für die Einrichtung einer Musterwohnung, zwei Jahre später hatte sie einen Auftritt im supermodernen Filmhaus von Jaques Tatis „Mon Oncle“, 1957 wurde sie in die „Neue Sammlung“ in München aufgenommen. Mit der „Type 600“ war der Grundstein für die Leuchtenmanufaktur Baltensweiler gelegt, die heute auf LED-Leuchten spezialisiert ist. Als Hommage an die Glühbirne wurde die Stehleuchte im Herbst 2011 als nummerierte und limitierte Edition auf den Markt gebracht.
1952
Arne Jacobsen
Ameise
Der Däne Arne Jacobsen (1902–1971) war eigentlich erzkonservativ: Er schwärmte für Antiquitäten, mochte erlesene Weine, war leidenschaftlicher Botaniker und führte ein recht ruhiges Leben. Und dennoch waren seine Entwürfe revolutionär, auch wenn sich Jacobsen selbst als „Gebrauchskunst-Designer“ bezeichnete. Mit der berühmten dreibeinigen „Myren“ (Ameise) schuf er 1952 den ersten intelligenten und stapelbaren Kantinenstuhl der Geschichte.
Die durchgehende Form des Sperrholzes mit der markant eingezogenen Taille verlieh dem Stuhl seinen Namen, hatte aber auch eine wichtige Funktion: Durch die sehr schmale Verbindung zwischen Sitzfläche und Rückenlehne gibt der Stuhl etwas nach, was ihn äußerst bequem macht. Heute produziert die Firma Fritz Hansen den Stuhl als Modell „3100“ in vielen Farben und zwei Varianten: eine mit drei und eine mit vier Beinen (letztere allerdings erst nach dem Ableben des Gestalters).
1953
Egon Eiermann
Tischgestell 1
Als Architekt Egon Eiermann (1904–1970) sein bekanntes Tischgestell entwarf, hatte er einen Zeichentisch im Sinn. Ein Vorläufer mit einfacher Querstrebe findet sich bereits 1943 im Zeichenraum von Eiermanns Bauleitungsbaracke in Beelitz bei Berlin. Das kontinuierlich weiterentwickelte Gestell wurde zeitweise in der Schlosserei der TH Karlsruhe gefertigt, der Hochschule, an der Eiermann lehrte. Zwei H-förmige seitliche Stahlrohrrahmen werden durch ein dazwischengeschweißtes schräg liegendes Rohrkreuz stabilisiert.
Eiermanns Bauten erzeugten Leichtigkeit durch große Glasflächen, auskragende Vordächer und schwebende Stege, wie etwa beim Deutschen Pavillon für die Weltausstellung 1958 in Brüssel, den er mit Sep Ruf entwarf. Seine Möbel verbinden Vielseitigkeit und Pragmatismus. Die Unterkonstruktion nutzte der Architekt mal als Basis des Altars für die Matthäuskirche in Pforzheim, mal als Gestell des modernen Klavicords, das 1954 auf der Triennale in Mailand gezeigt wurde. Die Eiermann Tischgestelle (neben dem ursprünglichen Entwurf, gibt es eine spätere, zerlegbare Variante) bietet heute der Hersteller Richard Lampert an.
1954
Willi Guhl
Gartenstuhl
In den 1950er-Jahren trat der Schweizer Zement-Hersteller Eternit an die Kunstgewerbeschule Zürich heran, auf der Suche nach neuen Einsatzmöglichkeiten für ein Material, das bis dahin vor allem in der Architektur Anwendung fand. Willy Guhl (1915–2004), damals Professor an der Hochschule, war begeistert von der Idee, mit Beton zu gestalten. Er entwarf das „Elefantenohr“, Blumengefäße, Sandkisten – und den legendären schleifenförmigen Gartenstuhl. Dessen Breite entspricht genau der Breite einer maschinengefertigten Eternitplatte.
Die Schleife wurde geformt, während das Material noch feucht war. Der zunächst „Strandstuhl“ genannte Schaukelstuhl war sofort ein Erfolg. Er verband Leichtigkeit mit Gewicht, Robustheit mit Eleganz, bodennahes Sitzen mit Luxus – und das alles mit einem geringen Produktionsaufwand. Das MoMA in New York bestellte ein Exemplar für seine Sammlung – und schickte es nach zwei Wochen wieder zurück, weil das Material Asbestfasern enthielt. Heute stellt Eternit den „Gartenstuhl“ asbestfrei her, mit Vertiefungen im Rücken, die für mehr Stabilität sorgen.
1955
Eero Saardinen
Tulip
Die Geradlinigkeit der Bauhaus-Gestalter war dem finnisch-amerikanischen Architekten Eero Saarinen (1910–1961) ein Gräuel. Weich fließende, organische Formen waren seine Antwort auf deren funktionalistische Strenge, und das optimistische, zukunftsorientierte Amerika der 50er-Jahre war die perfekte Umgebung für diese Formen: Saarinen baute den Gateway Arch in St. Louis und den TWA-Terminal des JFK-Airport in New York.
Als Möbeldesigner wurde der Sohn finnischer Einwanderer 1955 mit der „Pedestal Group“ berühmt: Esstisch, Beistelltisch, Hocker und Stühle, die auf einem Fuß standen. Über den „Tulip Chair“ sagte Saarinen selbst: „Ich wollte das elende Gewirr von Beinen aufräumen, das unsere Wohnungen zu einer unruhigen Welt macht. Ich wollte einen Stuhl, der eine Einheit ist. All die großen Sitzgelegenheiten der Geschichte, von Tutanchamuns Thron bis zu Thomas Chippendales Stühlen waren ein strukturelles Ganzes.“ Gefertigt wird der Tulpenstuhl von Knoll International.
1955
George Nelson
Coconut Chair
Der „Coconut Chair“ des US-amerikanischen Designers George Nelson (1908–1986) aus dem Jahr 1955 gilt als Möbel, das den „Form follows Fun“-Slogan der 1960er-Jahre vorwegnahm, erlaubte es doch eine unkonventionelle Art des Sitzens. Die Anregung für seine abenteuerliche Form kam vom Teilen einer Kokosnuss, die äußere weiße Hülle symbolisiert das Fruchtfleisch, das innere schwarze Polster die äußere Schale der Nuss.
Dass diese Form Mitte der 50er-Jahre in der Luft lag, belegt auch das an eine Nussschale erinnernde Kresge-Auditorium Eero Saarinens für das Massachusetts Institute of Technology, das von vielen als das Vorbild für Nelsons Sessel genannt wird. Die frühe Version des Sitzmöbels bestand noch aus einem gebogenen Stahlblech, einer Schaumstoffpolsterung und einem Kunstlederbezug. Später stellte Herman Miller den Sessel aus fiberglasverstärktem Polyester her, mit einem Bezug aus Textil oder Leder. Seit 1988 wird der „Coconut-Chair“ von Vitra produziert.
1956
Dieter Rams, Hans Gugelot
SK4
Wie ein „Ufo unter Dampflokomotiven“ wirke die Radio- Phonokombination „SK 4“ gegenüber den Radio-Modellen der Nierentisch-Epoche, schrieb einst der „Spiegel“. Hans Gugelot (1920–1965), Dozent an der Ulmer Hochschule für Gestaltung, und Dieter Rams (*1932), damals 23-jährig und bei Braun als Architekt angestellt, planten ursprünglich einen Korpus ganz aus weiß lackiertem Blech, das preiswerter war als traditionelle Holzgehäuse. Nur die Seiten sollten aus Ahorn bestehen. Die Vibrationen des eingebauten Lautsprechers setzten allerdings den vorgesehen Blechdeckel in Bewegung, er klapperte. Eine Alternative musste her.
Dieter Rams schlug vor, eine Abdeckung aus transparentem Acrylglas zu verwenden. Er fuhr nach Ulm, diskutierte mit Gugelot ausgiebig die neue Lösung, und beide schufen einen neuen Produkttyp mit durchsichtigem Deckel. Ob aus Spott oder als Anerkennung: Bald hieß der „SK 4“, der 1956 auf den Markt kam, nur noch „Schneewittchensarg“. Ein Meilenstein des Braun-Designs und auch einer für Dieter Rams, der von 1961 bis 1995 Chefdesigner bei Braun war. Reizvoll, wenn auch nicht im Sinn der beiden Designer, ist der Kontrast des gradlinigen Gehäuses zu dem organisch geformten Tonabnehmer, den Wilhelm Wagenfeld bereits gestaltet hatte.
1956
George Nelson
Marshmallow
Bequem ist es nicht unbedingt, aber witzig. George Nelsons „Marshmallow“ Sofa (1956) ist ein Wegbereiter der Pop Art im Design. Entstanden ist das ungewöhnliche Sofa eher zufällig: George Nelson (1917–1986) und Irving Harper, ein bei ihm angestellter Designer, bekamen Besuch von einem Erfinder, der ihnen Scheiben zur Kunststoffeinspritzung vorstellte. Die beiden hängten 18 dieser Scheiben an ein Stahlgerüst, und es gefiel ihnen.
Die Plastikeinspritzscheiben erwiesen sich als ein wenig unpraktisch, aber die Idee für „Marshmallow“ war geboren – bunte Kunststoffkissen, die an einem Gerüst montiert werden und in der Luft zu schweben scheinen. Hersteller Herman Miller biss sofort an und produzierte das Sofa. Zunächst wurden die Kissen mit Stoff bespannt, später mit Vinyl, damit die Bonbonfarben intensiver leuchten. Heute wird es von Vitra produziert.
1956
Ray und Charles Eames
Lounge Chair
„So warm und empfangsbereit wie einen gut eingetragenen Baseballhandschuh“ wünschten sich Ray (1912–1988) und Charles Eames (1907–1978) den Look ihres „Lounge Chair“. Etwas eleganter als der ist die moderne Version eines Clubsessels mit Ottomane dann doch geworden. Obwohl das Designerpaar sich ansonsten auf die Fahnen geschrieben hatte, erschwingliche Möbelstücke zu gestalten, war der „Lounge Chair“ von Anfang an ein echter Luxusgegenstand, zumal er teils fabrik-, teils handgefertigt werden musste.
Seinem Erfolg stand das nicht im Weg, er ist ein Bestseller des erfolgreichen Designerpaares. Die drei Schalen waren ursprünglich mit Rosenholz furniert, die Lederkissen darauf wurden mit Entenfedern und -daunen und mit Schaum gefüllt. Heute besteht die Füllung aus Dracon und Schaum, das Leder ist auch in Weiß und das Furnier in Nussbaum oder schwarzer Kirsche erhältlich. Hergestellt wird der „Lounge Chair“ von Herman Miller (USA) und Vitra (Europa).
1957
Bruno Munari
Cubo
„Tabakasche auf einem schönen, gelben Majolika-Teller kann hübsch anzusehen sein, was das Ensemble aber unansehnlich macht, ist das unvermeidliche Hinzufügen des Zigarettenstummels“ – mit diesen Worten beschreibt der Nichtraucher Bruno Munari (1907–1998) die Motivation zu seinem Aschenbecher-Entwurf „Cubo“ von 1957. In einer quadratischen Hülle befindet sich ein vierfach geknickter Metallstreifen, der an der Oberseite eine Öffnung hat, in der Asche und Stummel verschwinden. Auch beim Stellungswechsel des Aschenbechers fällt nichts heraus. Zum Entleeren kann das Band unkompliziert aus dem Gehäuse gezogen werden. „Cubo“, bis heute von Bruno Danese produziert, ist eines der Gebrauchsgegenstände, die man einfach nicht besser machen kann, weil sie einer logischen Abfolge von elementaren Strukturen folgen. Das enspricht der Intention ihres Gestalters, dem Streben nach Vereinfachung: „Indem man Überflüssiges eliminiert, schafft man das Essenzielle.“
1957
Giò Ponti
Superleggera 669
Das Ergebnis seiner langjährigen Forschungs- und Entwicklungsarbeit warf der Architekt und Designer Giò Ponti (1891–1979) einfach aus dem Fenster. Vier Stockwerke in die Tiefe fiel „Superleggera“, traf dabei federnd wie ein Ball auf der Straße auf, ohne zu brechen. Pontis Kreativität kannte keine Grenzen. Ornamente begriff er als selbstverständlichen Bestandteil seiner Arbeit. Rhombische Formen etwa, konnten bei ihm dekorative wie konstruktive Aufgaben übernehmen.
Der „Superleggera“, bis heute mit 1,7 Kilogramm das Superleichtgewicht unter den Stühlen, resultiert aus einem mehrstufigen Prozess der Verbesserung. Ausgangspunkt war der traditionelle „Chiavari“-Stuhl. Pontis Neuinterpretation von 1949 ist noch grob und schwer. Weit eleganter wirkt „La Leggera“ von 1951, gefertigt aus runden Eschenholz-Elementen. Ponti schuf viele Wohn- und Geschäftshäuser sowie Designobjekte, bevor 1957 „Superleggera“ erschien. Mit dreieckigem Querschnitt der Bauteile, festen Verbindungen und einem leichten Geflecht spart Ponti Material und Gewicht. Den „Superleggera“ fertigt bis heute Cassina.
1957
Achille und Pier Giacomo Castiglioni
Mezzadro
Die Eigenart, einerseits essenzielle Dinge zu gestalten, ihnen aber auch immer eine spielerisch-ironische Komponente zu geben, zeichnet viele italienische Designer aus. Die Brüder Achille (1918–2002) und Pier Giacomo Castiglioni (1913– 1968) trieben es manchmal auf die Spitze. Ihr Hocker „Mezzadro“, den sie schon 1957 entwarfen, erinnert an die Arbeiten Marcel Duchamps: Artfremde, vorgefertigte Teile werden zu einem brauchbaren Objekt komponiert. Die „objets trouvés“ spielten im Leben der Brüder eine wichtige Rolle. Ihr Studio war voll davon, und Achille, 1997 der erste A&W-Designer des Jahres, hatte in seiner Wohnung sogar ein Fischerboot für den Aalfang.
Zu Beginn rief der „Mezzadro“ (zu deutsch: Halbpächter, was sich auf den Traktorsitz bezog) mehr Belustigung als Kauflust hervor. Und es dauerte bis in die 1970er-Jahre, ehe Zanotta das Sitzmöbel in Produktion nahm. Fortan bevölkerte es Restaurants, Bars und Büros. 1972 wurde der Sitz in der berühmten Ausstellung „Italy, the New Domestic Landscape“ im New Yorker MoMA geehrt.
1957
Poul Henningsen
Artichoke
Als die dänischen Architekten Eva und Nils Koppel 1957 für ihren Langelinie Pavillon in Kopenhagen nach einer neuen, großen Leuchte suchten, musste alles schnell gehen. Für den Neubau mit Seeblick, der bis heute als Ausflugsziel und Ort für Familienfeiern und Staatsbankette dient, suchten sie eine spektakuläre Möglichkeit der Beleuchtung und wandten sich an Poul Henningsen (1894–1967). Er hatte 1925 die erste nach seinen Initialen benannte „PH-Leuchte“ vorgestellt und seither viele Leuchten mit gestaffelten Lichtlenkelementen entwickelt, die dem elektrischen Licht eine atmosphärische Wirkung verleihen. Festlich und funktional wünschte sich Henningsen das Licht.
Für die „Artichoke“ (auch „Zapfen“ genannt) griff er auf einen nicht realisierten Entwurf zurück. Statt wie bislang Ringe regelmäßig um die Lichtquelle zu staffeln, befestigte er (versetzt auf zwölf Ebenen) Lamellen aus Kupfer an einem Stahlgerüst. Aus keinem Blickwinkel blendet die von Louis Poulsen produzierte Leuchte.
1985
Norman Cherner
Armchair
Unter dem Einfluss des deutschen Bauhauses beschäftigte sich der in Brooklyn/New York geborene Gestalter Norman Cherner (1920–1987) mit industriell herstellbaren Häusern, für deren Einrichtung er auch Möbel entwarf. In den 40er- Jahren unterrichtete Cherner am Fine Art Department der Columbia University und war wenig später Dozent am MoMA. Im Bereich des vorgefertigten Hausbaues war Cherner ein Pionier, Weltruhm aber erlangte der Designer, der auch in den Bereichen Grafik, Glas und Licht arbeitete, mit seinem „Cherner Chair“ aus dem Jahr 1958, auch wenn in der Designliteratur immer wieder Paul Goldman als Autor des Stuhls genannt wird. Er ist eine gelungene Mischung aus fünf bis 15-lagigem Sperr- und Massivholz.
Als Vorbilder für dieses Sitzmöbel mit den dynamisch geschwungenen Armlehnen werden der 1952 von George Nelson entworfene „Pretzel Chair“ und noch davor Thonets „Sessel Nr. 9“, auch bekannt als „Fauteuil Le Corbusier“ aus dem Jahr 1904 genannt. 1999 begannen die Söhne Cherners Benjamin und Thomas die Stühle unter dem Firmennamen Cherner wieder - aufzulegen – nach den Originalzeichnungen und -maßen.
1958
Arne Jacobsen
Egg Chair
Ende der Fünfzigerjahre, die Architektur befand sich gerade in der Hochphase des „International Style“, eröffnete das SAS-Gebäude in Kopenhagen. Es war das höchste Bauwerk Skandinaviens, ein Turm aus Glas und Stahl, Verwaltungssitz der skandinavischen Fluggesellschaft und Hotel. Entworfen hatte es Arne Jacobsen (1902–1971), der nicht nur für die Architektur, sondern auch für das gesamte Designkonzept des Hauses verantwortlich war.
Vom futuristischen Besteck über Leuchten und Stoffe bis hin zum Mobiliar. Für Suiten und Lobby entwarf er das „Ei“, die moderne Version eines gemütlichen Ohrensessels, dessen ovaler Kokon an eine aufgebrochene Eierschale erinnert. Die Bespannung der Sitzschale war mit aufwendiger Handarbeit verbunden, weshalb Hersteller Fritz Hansen bis heute nur sechs bis sieben Stück pro Woche produziert. Zusammen mit dem „Schwan“ bildete der organisch geformte Drehsessel einen skulpturalen Kontrast zu der Strenge des Gebäudes – und wurde schnell zum Symbol für Jet-Set-Eleganz.