Kaldewei Future Award by AW Architektur & Wohnen 2020
Regelmäßig stellen wir hier die neue Designtalente vor, die mit ihrer außergewöhnlichen Arbeit überzeugen und sich damit für den Kaldewei Future Award qualifizieren.
Trueing
UNGEWÖHNLICHE VERBINDUNGEN, feine Details sowie der eigensinnige Umgang mit Material sind typisch für das Designbüro Trueing. Josh Metersky, der Maschinenbau studierte, und Aiden Bowman, der sich mit Kunstgeschichte, Architektur und Kommunikation beschäftigte, etablierten es 2016 in Brooklyn. Nicht nur ihre Lichtobjekte sind groß. Das Wörtchen „true“ steht für gestalterische Wahrhaftigkeit. Sie bringen es mit dem Ingenieursbegriff „Trueing“ zusammen, der das präzise Ausrichten eines Gegenstandes bezeichnet. „Können wir etwas aus Metall herstellen und dabei eine gewisse organische Weichheit bewahren?“, fragen sie. Das – in der Tat – gelingt den beiden immer wieder.
Eny Lee Parker
IN SÃO PAULO wuchs sie auf, ihre Werkstatt hat sie in Queens. Als sie in Savannah, Georgia, ihr Masterstudium in Möbeldesign beendet hatte, reiste Eny Lee Parker nach Korea, in die Heimat ihrer Eltern, und ließ sich von traditioneller koreanischer Keramik inspirieren. Heute lebt sie in New York. Dort erschafft sie Schmuck, Möbel und Leuchten. Ihr wichtigstes Material ist Ton. Sie möchte Elemente traditionellen Kunsthandwerks wiederbeleben, schätzt Langsamkeit, Intention, Respekt für natürliche Ressourcen. Während keramische Gebrauchsgegenstände meist klein sind, konstruiert sie aus Ton raumgreifende Möbel und Leuchten, die sie auf Bestellung fertigt.
Ferréol Babin
EIGENTLICH WOLLTE FERRÉOL BABIN Architekt werden. Nach seinem Studium in Dijon ging er für sieben Monate an die Kunst- und Designhochschule von Nagoya, wo der Franzose sein Faible für Objekte in kleinerem Maßstab entdeckte. Und seine Liebe für den handwerklichen Part, der im Produktdesign eine Rolle spielt. Zurück in Paris jobbte er im Studio von Robert Stadler, absolvierte dann noch ein Studium in Reims. Die Leuc te „Lumiere“ (FontanaArte) war Teil von Babins Diplomarbeit. Licht und Leuchten faszinieren den Mann, der sich selbst eher als Künstler denn als Designer sieht, ebenso wie das Material Keramik, das man mit den Händen formen kann.
Niruk
NEUENTDECKER. Welcher Gestalter ist so vermessen, Neues erfinden zu wollen? Nina Ruthe und David Antonin vom Design Studio Niruk versuchen, das Neue im Bekannten zu entdecken. Die erfinderische Puristin gründete die Firma, er wurde nach seinem Praktikum zum Partner. Lichtreflexionen, Texturen und Materialeigenschaften begeistern die handwerklich geprägten Designer. Eine Vase aus Glas erhält mit einem historischen Waffeleisen ihre Form als flaches Gefäß für Blumenarrangements. Der „Stamm_Tisch“ klammert sich mittels Spanngurt an jeden stabilen Baumstamm.
Savvas Laz
MATERIALFORSCHER. Speziell geformte Styropor-Elemente für den sicheren Transport wertvoller Produkte sind Rohstoff der „Trashformers“. Savvas Laz macht daraus limitierte Objekte. Neu kombiniert überzieht er sie mit Kunstharz, Farbpigmenten und Fiberglas. Der in Athen ansässige Ingenieur machte seinen Master an der Designschule Écal in Lausanne. Auch der Rotterdamer Künstler-Aktivist Joep van Lieshout prägte ihn. Savvas Laz verbindet Humor mit einer Vorliebe für fein bearbeitete Materialien, etwa bei „Boudoir Fétiche“, einer Serie von Alltagsgegenständen aus Marmor, Leder und Messing.
Huw Evans
KONSTRUKTEUR. Zeiten neuer Einfachheit? Designer wie Huw Evans aus dem englischen Knutsford entdecken bekannte Prinzipien für sich neu. Das feste, nur bedingt bewegliche Material Holz lässt sich durch gezielte Einschnitte flexibel und formbar machen. Evans nutzt das Prinzip, das er während seiner Studien für sich erforschte, für seine Kollektion aus Möbeln und Leuchten. Das ziehharmonikaartig variierbare Holz wird so mal zur flachen Tischplatte, mal zum gefalteten Lampenschirm und schließlich zur dreidimensionalen Sitzschale. Mit dem Namen „Concertina“ erinnert Evans an die Ästhetik der Fifties.
IAN ALISTAIR COCHRAN
Der Bildhauer aus Brooklyn experimentiert mit der Lichtbrechung von Kunstharz. Dabei schafft er skulpturale Möbel, die sich aus einzelnen Elementen zusammensetzen.
Harz-Reform. Seine Entwürfe seien verspielt wie Objekte von Je Koons, aber ohne deren Kitsch, sagt der Galerist Fernando Mastrangelo über den amerikanischen Bildhauer und Designer Ian Cochran. Das Kunststudium absolvierte Cochran (Jahrgang 1990) am Kansas City Art Institute. Heute arbeitet er in Brooklyn, wo er seine Objekte aus farbigem Kunstharz entwickelt und fertigt. Das Material schätzt er wegen ungewöhnlicher Effekte, die durch Lichtbrechung entstehen. Er gießt es in Form und poliert es danach. Den Anfang machte 2018 „Plump Table“, ein Couchtisch mit einer Tischplatte aus transparentem Acryl. Die einzelnen Elemente sind zusammengesteckt. Der Designer konstruiert sie ohne Kleber, Schrauben oder Tischlerarbeit. Er erzeugt Farbverläufe im Harz, mitunter nutzt er eingeschlossene Bläschen, um Flächen zu strukturieren. Erinnert an Pop-Kultur und Memphis... Nach einem Vorbild befragt, nennt Cochran den dänischen Künstler und Designer Ólafur Elíasson. Thomas Edelmann
VANTOT
Leuchten bevorzugt! Die beiden Niederländer Esther Jongsma und Sam van Gurp verleihen technischen Objekten eine zeitgemäße Gestalt – und erinnern damit zugleich an historische Vorläufer.
Zeit-Reisen. Ihr Firmenname (von niederländisch „van ... tot“ für „von ... bis“) bezieht sich auf Entwurfsprozesse, die, bevor sie zum fertigen Produkt gelangen, beispielsweise mit der Auswahl einer Technik beginnen. Esther Jongsma und Sam van Gurp lernten sich während ihres Studiums an der Design Academy Eindhoven kennen. Nach dem Abschluss gründeten beide zunächst eigene Büros, bevor sie sich 2014 zusammentaten. Ihr Studio betreiben sie in einem einstigen Industriepark, heute ein Kulturzentrum mit Werkstätten vieler kreativer Kleinunternehmen. Dort entstehen ihre Alltagsobjekte, die ein wenig so aussehen, als seien sie Technikvisionen von Jules Verne. Inspiriert von industriellen Prozessen und technischen Entwicklungen, setzen die zwei Designer auf handwerkliche Fertigkeiten von einst und jetzt. Sie würden, so sagen sie, ihren Entwürfen eine „Dosis humanisierte Innovation" einpflanzen. Thomas Edelmann
Laurids Gallée
In einer Künstlerfamilie aufgewachsen, sehnt er sich nach Normalität – und findet sie im Design. Heute lebt der Wiener in Rotterdam und kreiert nicht nur für altes Handwerk neue Formen.
Metamorphosen. Kunst kann nervig sein. Der heute 31-jährige Laurids Gallée wächst in einer Familie von Kreativen auf – und das führt zunächst zur Antihaltung. Als Jugendlicher entdeckt er dann eigene Zugänge zu Kunst und Design, studiert erst mal Anthropologie, bevor er zum Studium an die Design Academy Eindhoven wechselt, wo er 2015 seinen Abschluss macht. Gallée geht nach Rotterdam, hilft dort Künstlern und Designern bei der technischen Umsetzung ihrer Ideen.
2017 gründet er sein eigenes Studio. Der Transfer alter Handwerkstechniken hin zu aktuellem Design spielt bei Projekten wie „Hinterglas“ und „Passementerie“ eine Rolle. Hinterglasmalerei aus dem oberösterreichischen Mühlviertel kombiniert er mit oralen Dekors und Fabelwesen. Kantige Uniformschnüre, wie sie eine Wiener Manufaktur seit 1863 für Schulterstücke herstellt, lässt er umfärben und baut daraus dekorative Wandleuchten. Neuste Projekte basieren auf Gallées Erfahrungen mit Kunstharz. Thomas Edelmann
Sebastian Cox
Publikum wie Hersteller suchen derzeit händeringend nachhaltige Produkte. Ein Möbeltischler aus Greenwich zeigt, welche dicke Bretter man bohren muss, um sie zu erschaffen.
Woodwork. „Wir arbeiten jeden Tag daran, die britischen Wälder zu fördern“, sagt Sebastian Cox (Jahrgang 1986). Seine 2010 gegründete Firma ist eine Mischung aus Labor, Tischlerei, mobilem Sägewerk und Workshop. Mit Ninela Ivanova entwickelte Cox die Mycelium-Kollektion (2017) von Hängeleuchten, basierend auf Holzschnipseln, auf denen ein – in Form gebrachter – Zunderschwamm wächst. Was manche für nutzlose Holzabfälle halten, ist für Cox Ausgangsmaterial. Die mobile Bandsäge erlaubt es ihm, Bäumen in seiner Region, die gefällt werden müssen, ein zweites Leben einzuhauchen. Passend zu seinem „Beayleaf“-Loungemöbel aus englischer Kastanie (bezogen mit einem Stoff von Morris & Co.) etwa entwarf er ein Sideboard aus Esche und englischer Eiche. Brotkörbe namens „Landrace“ präsentierte Cox 2019 in einer Galerie in London. Es sind kompakte Holzstrukturen, verkleidet mit Bündeln wild gewachsener Weizenhalme. Thomas Edelmann
ZANELLATO/BORTOTTO
In Treviso - nördlich von Venedig - etablierten Giorgio Zanellato und Daniele Bortotto 2013 ihr Studio. Seither entwickeln sie eigensinnige Projekte für namhafte Kunden.
Am Anfang war das Wasser. „Acqua Alta“ hieß 2013 das erste Projekt der Designer Giorgia Zanellato und Daniele Bortotto. Thema waren überlieferte handwerkliche Fertigkeiten sowie Handelstraditionen des Veneto. Vom Geschäft mit Gewürzen bis hin zu Stoffen, vom geblasenen Glas bis hin zur weltumspannenden Vernetzung. Die erste Kollektion für Rubelli und CC-Tapis zeigte bereits die konzeptionelle Vielseitigkeit der Designer. Cappellini und Moroso gehören zu ihren Auftraggebern, ebenso wie Galerien in Mailand oder Brüssel. Ihr Bett „Bend“ für Bolzan Letti nutzt traditionelles Schmiedeeisen in moderner Form. Dann wieder verbinden die zwei für die „Zeppelin“- Kollektion Betonoberflächen mit farbig schimmernden aufblasbaren Strukturen. Mit „Marea“ für De Castelli kehren Zanellato/ Bortotto zu ihren Anfängen zurück: Die fein ausgearbeiteten metallischen Fronten der Kommoden und Schränke zeigen Farbverläufe, die an den Einfluss der Gezeiten auf beständige Materialien erinnern. Thomas Edelmann
STUDIO MARFA
Janis Fromm und Florestan Schuberth machten 2015 in Hamburg ihren Bachelor- und gründeten ein Studio. Nur einige Jahre später haben sie ihren Master - und sind nicht nur Insidern bekannt.
Das Gestern greift ins Heute. Objekte und Möbel der Moderne nachzubasteln ist zum Gähnen. Was aber geschähe, wenn etwa Charles und Ray Eames heutige Techniken, digitale Fräsen und Entwurfswerkzeuge sowie 3-D-Drucker zur Hand gehabt hätten? Wie Designgeschichte und Gegenwart auf entspannt-lässige Art zusammen finden, zeigt das Hamburger Team „Studio Marfa“, 2015 gegründet von Janis Fromm und Florestan Schuberth. Mit dem Namen legen sie die Latte bewusst hoch: Er erinnert an den texanischen Wirkungsort des minimalistischen Künstlers und Designers Donald Judd. Studio Marfa räumen Preise als Nachwuchsdesigner ab. Zu ihren Entwürfen gehören der raumgreifende Lounge-Sessel „Soma“, „Modulo“, ein modular konstruiertes Sideboard mit feinen Details, und zuletzt „Andy“, der Ahornstuhl mit Wiener Geflecht und nachgiebiger Lehne. Was noch fehlt, sind Hersteller für ihre ikonischen Objekte. Thomas Edelmann
NATACHA.SACHA.
Natacha Poutoux und Sacha Hourcade studierten an der Pariser Designhochschule ENSCI – Les Ateliers und eröffneten 2018 ihr Studio.
Sie stehen am Anfang. Und wissen zu überraschen. Bevor Natacha Poutoux und Sacha Hourcade ihr Studio eröffneten, arbeitete sie bei Stefan Diez, Ronan & Erwan Bouroullec und bei Possible Future. Er sammelte Erfahrungen bei Klauser & Carpenter und der Innenarchitektin India Mahdavi. Beide studierten an der Pariser Designhochschule ENSCI – Les Ateliers. Die gemeinsame Abschlussarbeit „L’ordinateur Paysage“ widmet sich der Gestaltung eines künftig bruchlosen Übergangs zwischen analoger und digitaler Welt. Dabei entstehen neue Typologien von Computern, die nicht standardisiert, sondern universell nutzbar sind. Für ihr stimmiges Werk erhielten sie 2020 in Paris den Rising Talents Award der Messe Maison & Objet. Thomas Edelmann
ALEX BROKAMP
Alex Brokamp machte sich nach seinem Master am Art Center Collage of Design 2020 selbstständig. 2021 sollen erste Produkte aus seinem Studio auf den Markt kommen.
Für seine „Collate"-Tische mit gefräster Aluminiumoberfläche erhielt Alex Brokamp vor zwei Jahren einen der begehrten NYCxDesign Awards. Nach seinem Master zum Thema „rationale Projekte für irrationale Gedanken“ am Art Center College of Design machte er sich 2020 selbstständig. Brokamp stammt aus Cincinnati, er lebt und arbeitet in Los Angeles. Bei seinen Möbeln und Leuchten versucht er „technisches Wissen mit einer unbeschwerten Einfachheit“ zu verbinden. Vergangenen September zeigte er in Paris eine Auswahl. Erste Produkte sollen 2021 in Amerika und Europa auf den Markt kommen. Thomas Edelmann
CHIARA ANDREATTI
Chiara Andreatti machte ihren Master an der Domus Academy in Mailand und gewann 2019 für ihren Sessel „Loie" den IF Design Award.
In Castelfranco, nordwestlich von Venedig geboren, zog Chiara Andreatti zum Designstudium nach Mailand. Ihren Master absolvierte sie an der Domus Academy. Zunächst arbeitete sie bei Renato Montagner und Raffaella Mangiarotti, bevor sie 2006 ins Studio Lissoni kam. Dort arbeitet sie als Designerin und führt zudem freiberufliche Projekte durch. Ihr Sessel „Loïe“ für Gebrüder Thonet Vienna (GTV) erhielt 2019 den iF Design Award. Chiara Andreatti entwirft unter anderem für Unternehmen wie Glas Italia, Lema, Arflex, CC-Tapis, Paola C. und Ichendorf Milano. Thomas Edelmann