AW Designer des Jahres
AW Designer des Jahres

AW Designer des Jahres 2022: Stefan Diez

Der Münchner Designer Stefan Diez rückt bei seinen Entwürfen das Thema Nachhaltigkeit mehr und mehr in den Fokus. Er setzt dies auf denkbar originelle Art und Weise um und sorgt somit für ein Umdenken in der Designwelt.
Text Uta Abendroth
Datum13.01.2022
©Monika Hoefler
Das Experiment ist der Weg. Die Leuchte „Ayno“ (Midgard) gewann 2021 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Der Entwurf von Stefan Diez und Lina Fischer steht für einen extrem geringen Materialeinsatz. Verarbeitet werden nur drei Primärwerkstoffe: Stahl, Fiberglas sowie ABS/PC

„Designer sind Übersetzer. Unser Job ist es, soziale Belange und Dinge, die in der Gesellschaft diskutiert werden, aufzuspüren und in ein Produkt oder eine Dienstleistung zu übersetzen.“ Diese Definition stammt von Stefan Diez, einem der erfolgreichsten deutschen Designer, der sein Studio vor 20 Jahren in München gründete. Es ist verblüffend, mit welcher Ernsthaftigkeit sich der 50-Jährige jeder Aufgabe stellt, um am Ende Produkte von großer Lässigkeit hervorzubringen, denen man ihre aufwendige Entstehungsgeschichte nicht mal im Ansatz ansieht. Das gilt für seinen Thonet-Stuhl „404“ aus gebogenem Holz genauso wie für sein Modell „Houdini“ für e15, das ohne Schrauben auskommt.

Stefan Diez gelingt es bei all seinen Entwürfen, das Komplizierte einfach aussehen zu lassen. Er findet Lösungen, die verblüffen und doch mit scheinbar wenig Aufwand möglich sind. Dabei kann und will Stefan Diez nichts dem Zufall überlassen: „Wir Designer haben einen riesigen Einfluss darauf, wie Produkte heute konzipiert, aus was für Materialien sie wo hergestellt werden und letztlich auch, was sie für einen Einfluss auf die Umwelt haben.“.

Berühmte prägende Vorbilder 

Was ebenso ambitioniert wie bodenständig klingt, hat seine Geschichte: Aufgewachsen in einer Schreinerfamilie hat Diez’ früher Kontakt mit dem Handwerk seinen Stil als Designer geprägt. Er selbst absolvierte eine Ausbildung zum Tischler, bevor er an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Industriedesign studierte. Sein Professor, der legendäre Designer Richard Sapper, sensibilisierte ihn schon in den Neunzigern dafür, dass Designer mehr mit der Zukunft verbunden seien als andere Menschen: „Wir formen die Zukunft.“ Sapper engagierte den Studenten Diez als Assistenten für ein IBM-Projekt und machte ihm klar, dass hedonistisches Lifestyle-Design nicht erstrebenswert sei, sondern dass es darum gehe, sich damit zu beschäftigen, wie Dinge komponiert sind. „Sapper war ein halber Ingenieur, mit dem konnte man über alles reden“, erinnert sich Stefan Diez. „Die Gespräche, die man mit ihm als Student hatte, waren augenöffnend. In einer Zeit, wo die meisten Designer mit dem Engineering nichts zu tun haben wollten, hat Sapper Ingenieure mit ins Boot geholt, weil ihm klar war, dass man damit viel weiter kommt.“ Offenbar beruhte die Wertschätzung des Assistenten für den Altmeister auf Gegenseitigkeit: Als Sapper 2005 AW Designer des Jahres wurde, nominierte er Stefan Diez für den Nachwuchspreis. 


 

Die nächste Station war ein Praktikum im Studio von Konstantin Grcic, das sich ausweitete. „Ich bin irgendwie in die Assistentenrolle gerutscht und dann drei Jahre geblieben, weil es mir wahnsinnig gut gefallen hat. Ich kenne bis heute keinen anderen Designer, der so sehr für seine Ideen einsteht und der so neugierig, aber auch so ernsthaft bei der Arbeit ist. Und der nie im Verdacht steht, irgendetwas zu machen, weil es gerade opportun ist.

"Designer müssen dazu beitragen, dass Produkte uns den Weg in die Zukunft weisen."
Stefan Diez

Der Spirit der beiden Vorbilder prägt die Arbeit im Diez Office bis heute. Es sind Fragen wie: Was ist das Problem? Wie kann ich ein Produkt ebenso ästhetisch wie praktikabel, vielseitig und nachhaltig gestalten? Welche Auswirkungen hat es auf die Umwelt? Und wie lässt sich der ökologische Fußabdruck minimieren?
Was vielleicht profan oder mittlerweile allzu selbstverständlich klingt, wird von Stefan Diez und seinem Team entschieden angegangen. So sind selbst Projekte aus der Vergangenheit niemals wirklich passé, sondern auch nach Jahren werden sie auf Verbesserungsmöglichkeiten geprüft – schließlich ändern sich Materialien und Produktionsmöglichkeiten.

Konsequente Kreislaufwirtschaft

Das Feedback zur Leuchte „Ayno“ für Midgard und die zeitgleiche Arbeit an dem Sofa „Costume“ für Magis, bei dem sich alle Einzelteile voneinander trennen lassen und dessen hohler Kunststoffkörper aus einem Recyclingmaterial besteht, bezeichnet Diez als eine Art persönlichen Wendepunkt.


Bei jedem neuen Projekt geht es ihm und seinem Team um den Spielraum und das Verschieben von Grenzen. „Wir versuchen, uns immer auf ein Detail, den Gamechanger, zu fokussieren“, sagt Diez. „Ich glaube, gutes Design ist nicht notwendigerweise immer eine mühevolle Arbeit am Gesamtbild, sondern bei unserem Minimalansatz entwickeln wir ein kleines schlaues Ding, das dann die bestehenden Regeln aushebelt und uns in die Lage versetzt, etwas völlig Neues darzustellen. Das ist der Ansatz, der es uns erlaubt, mit unseren Kräften ein Stück weiterzukommen.“

 

Lesen Sie das gesamte Porträt über Stefan Diez in der AW Architektur & Wohnen Ausgabe 01/22