Architektur
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Wettbewerb „Terminal Ost“: Ein neues Stadttor für Osnabrücks Lok-Viertel

Osnabrücks Zukunftsquartier im Lok-Viertel soll ein neues Stadttor bekommen: ein Hochhaus mit 15 Geschossen, gemischter Nutzung und Mehrwert für alle. In einem geladenen Wettbewerb haben Architekturstudierende aus ganz Deutschland ihre Visionen vorgelegt. Der Siegerentwurf kommt aus Düsseldorf.
Text Jeanette Kunsmann
Datum26.06.2024

Das Wesen der Architektur offenbart sich im Wettbewerb. Konkurrenz und Zeitdruck fördern Kreativität, führen zu überraschenden Ideen und bringen den Output manchmal bis an die Grenzen des Möglichen. Ähnliches erlebten auch die Architekturstudierenden von sechs deutschen Hochschulen, die vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft zu einem praxisnahen Wettbewerb in Osnabrück eingeladen waren.

Kulturkreis der deutschen Wirtschaft lud Hochschulen zum Wettbewerb ein

Sechs teilnehmende deutsche Hochschulen wurden vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft zum Wettbewerbsstart nach Osnabrück eingeladen.

Raus aus der Theorie, rein in den Berufsalltag: In Kooperation mit der Lok-Viertel-OS GmbH (einer Enkelgesellschaft der Aloys & Brigitte Coppenrath Stiftung) und der Deutschen Bahn hatte der Kulturkreis eine modellhafte Planungsaufgabe für ein Hochhaus als neues Stadttor im Lok-Viertel – dem Zukunftsquartier auf dem ehemaligen Areal des Osnabrücker Güterbahnhofs – ausgelobt.

Die sechs teilnehmenden Hochschulen des Wettbewerbs „Transformation Terminal Ost“ in der Übersicht: 

Die Wettbewerbsaufgabe zur „Transformation Terminal Ost“

Zum Auftakt trafen sich im Oktober 2023 alle Teilnehmenden im „Innovatorium“ des Lok-Viertels. Der zweitägige Workshop beinhaltete neben einer Ortsbegehung und Vorträgen auch Gruppenarbeiten für erste Ideen.

Ein Semester lang blieb den Nachwuchsarchitektinnen und -architekten aus dem Bachelor- und Masterstudium Zeit, sich der herausfordernden Aufgabenstellung für eine Hochhausplanung neben den Gleisen des Hauptbahnhofs Osnabrück zu stellen. Wie soll ein zukünftiger Leuchtturm für Osnabrück aussehen, wie verbindet er das Lok-Viertel mit dem Bahnhof? 

Für viele war es der erste Wettbewerb, an dem sie teilgenommen haben. Zur Vorbereitung fand im Oktober 2023 ein gemeinsamer zweitägiger Einführungsworkshop aller Hochschulen im Lok-Viertel statt. Schließlich sollten alle den gleichen Wissensstand haben. 

Die Teams arbeiteten zu zweit oder zu dritt, aber auch Einzelarbeiten wurden eingereicht. Jedes der sechs Fachgebiete wählte zum Ende des Wintersemesters im Februar 2024 die besten zwei bis drei Entwürfe, die Anfang März 2024 ihre Wettbewerbsentwürfe der Jury vorstellen durften. Die Studierenden reisten aus Berlin an, Braunschweig, Cottbus, Düsseldorf, Hannover und Münster. 

Insgesamt 16 Entwürfe wurden der Jury vorgestellt. Dass sich während der Tagung des Preisgerichts auch die Studierenden der verschiedenen Hochschulen untereinander austauschen konnten, war für alle Beteiligten ein Mehrwert. Und schließlich ist es auch immer spannend zu sehen, welche Ideen und Ansätze die anderen haben.

Der Siegerentwurf: „traction hybrid“ von Alexander Zahn

Für die Jury gibt der Siegerentwurf von Alexander Zahn von der PBSA Düsseldorf (bei Prof. Dennis Mueller) eine „höchst präzise und maximal reduzierte Antwort auf die gestellte Aufgabe, an der Ostseite des Osnabrücker Hauptbahnhofs ein markantes und weit sichtbares Stadttor zum neuen Lok-Viertel entstehen zu lassen“.

Als „erfrischend unkompliziert“ lobt die Jury unter Vorsitz der Architektin und Professorin Anne Beer den Entwurf von Alexander Zahn. Der Masterstudent von der Peter Behrens School of Arts aus Düsseldorf wurde für seine Arbeit „traction hybrid“ mit dem 1. Preis ausgezeichnet. 

Der 26-Jährige schlägt einen zweigeteilten Aufbau vor und überrascht mit einem Sockelbau aus Stampflehm. Darüber sitzt eine Hybridkonstruktion aus Holz, Beton und einem Stahltragwerk, die im Inneren offene Raumstrukturen ermöglichen soll. 

„Zugseile hängen die hybriden Deckenkonstruktionen ab“, erklärt der Nachwuchsarchitekt. „Diese werden an einem Trägerrost aus IPE-Trägern befestigt.“ Das Konzept überzeugt: unten Lehm, wie es Roger Boltshauser bauen würde, oben die einfache Strenge der Dachkonstruktion, die an Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie in Berlin erinnert. 

Die Jury wertschätzt den „zeitlosen Entwurf“, der mit wenigen Mitteln eine maximale Qualität erziele.

Zweiter Preis geht an Sergei Glushchenko

Der Entwurf von Sergei Glushchenko bildet eine Synthese aus Alt und Neu.

Gleiche Aufgabe, anderer Ansatz: Der zweitplatzierte Entwurf fokussiert die lokalen Bautraditionen, die der 22-jährige Sergei Glushchenko für seine Hochhauskonstruktion elegant in die Vertikale interpretiert. 

Die präzise Analyse der lokalen Baugeschichte war ihm wichtig, „um eine zeitgenössische kontextspezifische Architektur zu erschaffen“, erzählt der Architekturstudent der TU Berlin. 

Für Sergei Glushchenko, der wie Alexander Zahn allein gearbeitet hat, ist der Beitrag sein Abschlussprojekt für den Bachelor. 

Er überträgt die für Osnabrück typischen mittelalterlichen Art der Holzkonstruktion – die sogenannte Sul-Stütze in den Giebelhäusern der niedersächsischen Stadt – auf die Hochhausform. So kann auf dem kleinen Grundstück durch die auskragenden Geschosse die ausgelobte Bruttogeschossfläche gebaut werden. 

„Eine sehr inspirierende Arbeit, die mutig und auch ein Stück weit radikal das Thema Historie und Zukunft in einer neuen Struktur vereint“, urteilt die Jury. 

Sonderpreis für die „Hamburger Brücke“

Elitsa Paskaleva und Marc-Andre Tiede erhielten von der Jury den Sonderpreis.

Mutig ist auch der Entwurf von Elitsa Paskaleva und Marc-André Tiede von der TU Braunschweig, der eine andere Lösung vorschlägt und in die Horizontale geht. „Wir wollten den Ort mit einer sanfteren Form transformieren“, erzählt Elitsa Paskaleva.  

Ihr Professor, der Architekt Dan Schürch von Duplex Architekten, bestärkte die beiden Masterstudierenden in ihrer Herangehensweise. 

Die „Hamburger Brücke“ wurde mit einem Sonderpreis ausgezeichnet. Für die Jury ist der Entwurf „eine interessante Herangehensweise an die gestellte Aufgabe, indem er die Notwendigkeit eines Höhepunkts infrage stellt“. 

Neben der Fassade werden die Laubengangerschließung und der barrierefreie Zugang per Rampe besonders gelobt, ebenso wie die nachhaltige Nutzungsauslastung und Grundriss-Rekonfigurationen, die durch eine Sekundärstruktur im Tragwerk ermöglicht werden. 

Für alle teilnehmenden Studierenden eine gute Erfahrung, dass auch eine strikte Wettbewerbsauslobung Entwurfsfreiheiten erlaubt, wenn sie überzeugen und begründet werden. Gute Architektur entsteht unter Limits, manchmal aber eben auch „outside the box“. 

Die feierliche Preisverleihung findet zur Jahrestagung des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im Oktober 2024 in Bremen statt. 

Über die Jury und den Kulturkreis der deutschen Wirtschaft

Die Jurierung übernahm ein elfköpfiges Preisgericht aus sieben Sach- und FachpreisrichterInnen (darunter VertreterInnen des Architekturgremiums und der Geschäftsstelle des Kulturkreises) sowie vier Sachverständigen aus Osnabrück und von der Deutschen Bahn InfraGO AG. 

Die Fachpreisjury setzte sich zusammen aus Anne Beer vom Münchner Architekturbüro Beer Bembé Dellinger (Juryvorsitz), Laura Fogarasi-Ludloff (Ludloff Ludloff Architekten) aus Berlin, Kilian Kresing (KRESINGS Architektur) aus Münster und Ansgar Schulz (Schulz und Schulz Architekten) aus Leipzig. 

Das Preisgericht tagte Anfang März in Osnabrück – übrigens im gleichen Raum und Setting wie bei dem Städtebaulichen Wettbewerbsverfahren des Lok-Viertels.

Der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft

Der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft ist die traditionsreichste Institution für unternehmerische Kulturförderung in Deutschland. Er vereint kulturell engagierte Unternehmen, Wirtschaftsverbände, unternehmensnahe Stiftungen und Unternehmerpersönlichkeiten die sich für die Kunstfreiheit als tragende Säule der Demokratie einsetzen. 

Als bundesweites unabhängiges Netzwerk fördert der Kulturkreis seit 1951 junge Künstler in den Bereichen Architektur, Bildende Kunst, Literatur und Musik. 

Mehr Information über den Wettbewerb „Transformation Terminal Ost“ sowie alle 16 vorgestellten Entwürfe des Wettbewerbs und den Kulturkreis der deutschen Wirtschaft gibt es unter: kulturkreis.eu

Über das Zukunftsquartier im Onsabrücker Lok-Viertel

Die Stadt der Zukunft entsteht in Osnabrück: autark, grün, klimaneutral und offen für alle. Das 22 Hektar große Areal rund um den ehemaligen Ringlokschuppen wird unter der Obhut der Aloys & Brigitte Coppenrath Stiftung unter Vorsitz von Professor Felix Osterheider in ein urbanes Viertel zum Arbeiten, Wohnen und Leben verwandelt. 

Operativ steuert das Vorhaben die Grundeigentümerin Lok-Viertel-OS GmbH. Der Masterplan dazu stammt von der Planungsgemeinschaft Lok-Viertel unter Federführung der Architekten Venus (ehemals Blauraum) zusammen mit Karres en Brands und Greenbox. 

Die Vorarbeiten zur Revitalisierung des Geländes laufen bereits. 2028 soll der „Greenloop“, der anstelle einer Fußgängerzone einen zentralen Park vorsieht und ein autofreies Stadtviertel ermöglicht, realisiert sein.

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