Sigurd Larsen: Erfinder eigener Welten
Das Beste an der Architektur aus Skandinavien ist für Sigurd Larsen der Umgang mit Tageslicht. Was stets eine große Rolle bei seinen Projekten spielt – wie auch in seinem Berliner Studio. Als wir uns dort treffen, kommt Larsen gerade von einer Baustelle in Brandenburg zurück. In seinem Büro im ersten Hinterhof in der Kreuzberger Körtestraße leuchten die Fenster, draußen geht die Sonne unter.
Und warum liegen hier Spiegelelemente auf den Fensterbänken? Der junge Architekt lächelt und erzählt von den Sonnenreflexionen und den leichten Lichtspielen, die vormittags Wände und Decken entlang tanzen. Willkommen in der Welt von Sigurd Larsen!
Sigurd Larsen: Shootingstar der skandinavischen Architekturszene
Als skandinavischer Shootingstar beweist das Multitalent auffallend viel Understatement. Er ist ein Architekt, der leise auftritt. Und der trotzdem gesehen wird. 1981 in Dänemark geboren und aufgewachsen in Aarhus, studiert Sigurd Larsen erst Architektur in Aarhus, dann in Kopenhagen, macht ein längeres Praktikum bei MVRDV in Rotterdam und später ein weiteres bei OMA in New York.
Seine Biografie ist – wie er selbst sagt – sehr typisch für die Nullerjahre, zu Zeiten des Superdutch und einer aufstrebenden Generation von Star-Architekt:innen. "Damals herrschte eine enorme Stimmung von Optimismus: Alles schien möglich."
"Ich habe dabei gelernt, mutig zu sein und dass Architektur nicht ernst sein muss, dass sie Spaß machen darf!"
Nach Stationen bei OMA in New York, MVRDV in Rotterdam, Cobe in Kopenhagen und dem Berliner Landschaftsarchitekturstudio Topotek 1 hat Sigurd Larsen 2010 in Berlin-Kreuzberg sein eigenes Studio gegründet. Mit 13 Mitarbeitenden bewegen sich seine Projekte zwischen Architektur, Kunst und Design. Eine Bank für den Berliner Mauerweg ist sein kleinstes Bauwerk. Sigurd Larsen liebt es, Produkte zu gestalten – als kreatives Ventil zwischen langatmigen Bauphasen. sigurdlarsen.com
Sigurd Larsens Berliner Design- und Architekturstudio
Sein eigenes Architektur- und Designstudio gründete Larsen 2010 in Berlin. Die Hauptstadt ist für den Gestalter gut angebunden und vernetzt – "weswegen viele Menschen gerne mal vorbeischauen." Das Studio entwirft kleine und große Häuser, konzipiert Hotels und Ferienunterkünfte, gestaltet Möbel für Labels wie New Tendency, Reform und andere. "Ich wollte immer ein Architekt sein", sagt Sigurd Larsen. Schon als Kind habe er ausgiebig mit Legosteinen gespielt und viel gezeichnet. Er sei ein Träumer gewesen – und geblieben.
Løvtag Treetop Hotel im dänischen Jütland
Wovon er träumt? Zum Beispiel von utopischen Dachaufbauten auf den Flachdächern der Berliner Plattenbauten, die wie ein Kiez eine kleine neue Nachbarschaft für alle bieten sollen. Es ist eine Idee, die noch auf ihre Umsetzung wartet.
Er träumt von Baumhäusern mit Duschen in sieben Metern Höhe und Blick in die Baumkronen, wie er sie 2018 für das Løvtag Treetop Hotel am Mariagerfjord im dänischen Jütland gebaut hat.
Michelberger Farm im Spreewald
Bei der Michelberger Farm im Spreewald lässt er ein massives Backsteindach schweben. "Hinter einem guten Gebäude steht immer eine klare Idee", zeigt sich Sigurd Larsen überzeugt. "Bleibt die Idee nach allen Planungsphasen erkennbar und erlebbar, ist es eine starke Architektur."
Hier gibt es weitere Informationen zu Larsens Architekturvision für die Michelberger Farm.
Piperi House von Sigurd Larsen: Grenzen des Spielraums
So unterschiedlich seine Gebäude und Produkte am Ende aussehen, folgt die Herangehensweise immer dem gleichen Prinzip. Das Team um Sigurd Larsen versucht in jedem Projekt die kreative Freiheit zu finden und fragt nach Grenzen des Spielraums.
"Was sind die Prämissen? Was erlauben das lokale Klima, die Baukultur, der Bebauungsplan?", fasst Larsen zusammen. Und: "Jedes Projekt hat seine eigene Welt." Die Möglichkeiten führen zu einer Idee, und diese bildet die Seele des Hauses.
Wie bei dem Piperi House auf der griechischen Insel Kythnos: "Auf den Zykladen gibt es einen sehr strengen Bebauungsplan mit Vorgaben zur Fassade, Abständen der Fenster, Bestimmungen von Proportionen. Aber es gibt, anders als in Deutschland, keine Verordnungen zu den Treppen. Also wurde dieses Haus unser M.-C.-Escher-Projekt." Die Treppen werden zum Hauptdarsteller des Neubaus, sie werden sein Spielraum: "Wir bauen unmögliche Treppen, in alle Richtungen, mit extremen Steigungen." Der kreative Freiraum war gefunden, das Treppensteigen ist ein Erlebnis. Was auch deshalb gut funktioniert, weil Larsen in diesem Fall selbst Bauherr ist.
Fernweh bekommen? Unter dem Namen Piperi House Kynthos (Instagram) gibt es weitere Bilder, die zum Träumen einladen. Wer mehr zum Projekt erfahren will, erhält auf sigurdlarsen.com zusätzliche Informationen.
Das Glashaus in der Uckermark von Sigurd Larsen
Das Architekturbüro von Sigurd Larsen betreibt nach eigenen Angaben selten Akquise. "Wir haben in unserem Büro das große Glück, dass die Leute immer auf uns zukommen", weiß Larsen zu schätzen.
Wie bei dem Projekt für das Glashaus in der Uckermark. Auftraggeber für das Wochenendhaus ist ein junges Paar mit Kind aus Berlin. Die Idee: "Das Erdgeschoss macht das, was ein Haus muss: Es ist ein gedämmter Wohnbereich mit Küche, Schlafzimmern, Bad."
"Der Ausblick vom Dachgeschoss über die hügelige Landschaft ist ein Bonus für das Haus und auch das Dach selbst ist ein Gewinn. Ein ungewöhnlicher Raum, der ohne konkrete Nutzung bleibt. Das finde ich spannend", ergänzt Larsen.
Das Ergebnis ist ein sieben Meter hohes Mauerwerkhaus mit einer Holzkonstruktion, die ein 70 Quadratmeter großes Außenwohnzimmer (Udestue) bildet. Die vordere Dachseite ist verglast, die hintere mit Polycarbonatplatten bedeckt.
So hat das Nachbarhaus dahinter keine verbaute Sicht. "Udestue", so nennt man in Dänemark ein Außenwohnzimmer, das wie ein Wintergarten vor allem im Frühling und im Herbst ein beliebter Ort zum Verweilen wird. Solche undefinierten Räume interessieren den Architekten: "Und im Oktober hat man hier oben das beste Licht!"
Wer im Glashaus an der Uckermark übernachten will, kann die Unterkunft über urlaubsarchitektur.de oder dasglas.haus Übernachtungen buchen.
Sigurd Larsens Kabine: Tiny House für Raus
Die autarke Hütte, die Sigurd Larsen 2022 für das Berliner Start-up Raus entworfen hat, funktioniert wie ein bewohnbarer, kompakter Schrank. Alles ist klein und dunkel, der Blick auf die Natur wirkt dafür umso größer, heller und intensiver.
Sigurd Larsens Lieblingshaus: Can Lis auf Mallorca von Jørn Utzon
Sigurd Larsen wäre nicht Sigurd Larsen, wenn er seine Projekte nicht selbst testen würde – Probeschlafen inbegriffen. Er ist extrem neugierig. "Ich komme immer wieder in meine Gebäude zurück", erzählt er. Nach Jütland, wo bald weitere Baumhäuser entstehen, nach Brandenburg und nach Griechenland. Vor Ort wartet er dann – natürlich – auf das richtige Licht.
Wie bei seinem Lieblingshaus, dem Sommerhaus Can Lis des dänischen Architekten Jørn Utzon auf Mallorca, wo um 18 Uhr die Sonne durch ein Westfenster auf die Ecke fällt, in der sein Landsmann dann seinen Wein getrunken hat. Dass zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas passiert, baut Larsen auch gern in seine Projekte ein: Architektur, die eine Bühne für Rituale schafft, inszeniert aus Licht und Raum.
Vase von Sigurd Larsen: The Flower House
The Flower House heißt die limitierte Vase von Sigurd Larsen, weil die schräge Form an ein auf den Kopf gestelltes Haus erinnert. Die Herstellung ist faszinierend: Erst wird eine dicke Glasblase in eine handgefertigte Kirschholzform geblasen. Das flüssige Glas setzt sich am Boden der Vase ab. Indem die eingeblasene Luft die Wände gegen die Form drückt, werden diese immer dünner.