Im Duett: Wie kreative Architekten-Duos Räume und Produkte zum Leben erwecken
In der Welt der Architektur gibt es nichts Faszinierenderes als die Dynamik eines erfolgreichen Duos. Ob befreundete Seelen, Lebenspartner*innen oder berufliche Gegenspieler – Architekten-Duos beweisen immer wieder, dass zwei Köpfe oft mehr als doppelt so viel Kreativität hervorbringen können. Die Zusammenarbeit von zwei Menschen, die oft aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und Hintergründen schöpfen, eröffnet Möglichkeiten, Räume zu schaffen, die sowohl einzigartig als auch funktional sind.
Synchron im Design: Architekten-Duos und ihre Erfolgsgeheimnisse
Ihre Projekte erzählen nicht nur Geschichten über Raum und Design, sondern auch über die Beziehung zwischen zwei Menschen, die sich darauf einlassen, zusammen Großes zu schaffen.
Lanzavecchia + Wai
Francesca Lanzavecchia und Hunn Wai lernten sich während ihres Studiums in Eindhoven kennen. Ihre Zusammenarbeit ergab sich wie von selbst. 2010 gründeten sie Lanzavecchia + Wai, um die Überschneidung von Funktion, Erzählung und kultureller Identität im Design zu erforschen. Das Studio hat Standorte in Mailand und Singapur.
Wie teilt ihr euch die Arbeit auf?
Wir gehen jedes Projekt als einen dynamischen Dialog an. Francesca übernimmt oft die Führung bei konzeptionellen Ideen und der Erkundung von Materialien, während ich, Hunn, den Witz und das kulturelle Geschichtenerzählen in den Vordergrund stelle. Unsere Arbeit wird durch den Kon trast und das Zusammenspiel unserer unterschiedlichen kulturellen Kontexte bereichert: Mailand und Europa auf der einen Seite, Singapur und Südostasien auf der anderen. Trotz dieser Unterschiede gibt es erhebliche Überschneidungen: Wir hinterfragen und verfeinern ständig die Ideen des anderen, um Designs zu schaffen, die eine echte Synthese unserer Visionen verkörpern. Diese Zusammenarbeit verleiht unserer Arbeit Tiefe und Funktionalität.
Wie motivierend ist das Feedback in einem Team?
Unglaublich motivierend! Feedback ist für unseren kreativen Prozess von zentraler Bedeutung – es ist wie ein Pingpong-Match der Ideen. Wir fordern uns gegenseitig heraus, und das treibt unsere Arbeit über das hinaus, was jeder von uns allein erreichen könnte. Dieser Austausch ist wichtig, um zu Lösungen zu gelangen, die sich vollständig und innovativ anfühlen.
Sind die Produkte eines Teams besser durchdacht?
Auf jeden Fall. Die Arbeit im Team ermöglicht es uns, ein Projekt aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten und verschiedene Fähigkeiten und Perspektiven zu kombinieren. Dies führt zu Produkten, die durchdachter, vielschichtiger und mehrdimensionaler sind. Die Zusammenarbeit schärft die Ideen und führt oft zu unerwarteten, reichhaltigeren Ergebnissen, die ein einzelner Designer vielleicht nicht erreichen würde.
Welche Phasen durchlauft ihr während eines kreativen Prozesses?
1. Recherche und Erkundung, 2. Konzeptentwick lung, 3. Prototyping & Experimentieren, 4. Verfeinerung und 5. Endgültige Verwirklichung.
Welches Produkt ist euer Favorit?
Immer das Nächste.
2. RELVÃOKELLERMANN
Ana Relvão und Gerhardt Kellermann (RELVÃOKELLERMANN) haben sich 2011 auf dem Oktoberfest kennengelernt. Ideale Münchner Geschichte, klar! Beide arbeiteten in verschiedenen Designbüros, sahen sich fortan auf Veranstaltungen und Partys. Zunächst wurden die beiden ein Paar und beschlossen dann, zusam menzuarbeiten. Das war 2012. „Wir zogen in ein Büro mit Herbert Schultes und gründeten eine ,Design-WG‘.“ Erst 2014, als sie ihr Büro in Seefeld aufgaben und nach München zogen, begannen sie offiziell, als Relvãokellermann zu arbeiten.
Seid ihr euch stets einig über die gestalterische Ausrichtung Eures Studios?
Ja, aber nur am Ende … Wir haben oft unterschiedliche Ideen oder Ansichten, die wir gründlich, ja sogar erschöpfend diskutieren. Aber am Ende sind wir uns so gut wie immer einig.
Wie wichtig sind Loyalität und gemeinsame Verantwortung?
Letztlich geht es um Werte. Loyalität und die Gewissheit, dass der andere in guten wie in schlechten Zeiten für einen da ist, sind zwei Faktoren, die wir beide als grundlegend für eine gute Beziehung betrachten.
Macht bei euch jeder alles?
Viele Partnerschaften entstehen, weil zwei Personen Eigenschaften haben, die sich gegenseitig ergänzen: Wenn der eine in etwas gut ist, ist der andere in etwas anderem großartig. Gemeinsam sind sie in der Lage, die wichtigsten Aspekte eines Unternehmens abzudecken. In unserem Fall ist das anders: Wir sind uns in unseren Kompetenzen, Fähigkeiten und Vorstellungen extrem ähnlich. Deshalb können wir beide ohne Probleme von einer Aufgabe zur nächsten springen.
Was bringt die tägliche Zusammenarbeit mit sich?
Wir glauben, dass man im Industriedesign nur im Team effektiv arbeiten kann. Die Vorstellung, dass Design eine „Ein-Mann/Frau-Show“ ist, ist für uns ein überholtes Konzept. Wir arbeiten ja nicht nur im Büro als Team, sondern unsere tägliche Arbeit bringt es mit sich, dass wir ständig in unterschiedlichen Teams arbeiten.
Seid ihr zu zweit besser oder alleine?
Als Duo, ohne Frage.
3. MUT
Alberto Sánchez und Eduardo Villalón (MUT) sind sich in der valencianischen Szene und in Clubs immer wieder über den Weg gelaufen. Eines Tages kamen sie auf die Idee, zusammenzuarbeiten und ein gemeinsames Studio zu gründen – Ausgang offen, sehen, was passiert. Was passiert ist: Der Salone-Satellite 2010 in Mailand, wo das Duo seine drei ersten Produkte vorgestellt hat.
Ist es in der Welt des Designs einfacher, im Team zu arbeiten als allein?
Nicht einfacher, aber vielleicht beruhigender. In schwierigen Situationen hat man, wenn man zu zweit ist, immer jemanden, an den man sich anlehnen kann – das hilft sehr! MUT Design Studio besteht offiziell aus uns beiden. Wir sind die Gründer und das Kernteam. Im Laufe der Jahre haben wir uns mit Fachleuten aus anderen Bereichen umgeben, die unsere Arbeit ergänzen und nähren. Es geht dabei auch um das Gefühl der Unterstützung und des Schutzes.
Entwerft ihr Projekte gemeinsam oder gibt es eine Arbeitsteilung?
Wir haben unterschiedliche Werdegänge: Alberto hat Design im Blut, seit er ein kleines Kind war. Soweit er sich erinnern kann, war sein Lieblingsspielzeug ein Bleistift. Für ihn war es nur natürlich, Industriedesign zu studieren und Designer zu werden. Ich, Eduardo, konzentriere mich mehr auf den kommerziellen Bereich und die Öffentlichkeitsarbeit, aber auch ich liebe das Design und habe eine handwerkliche Ader, sodass ich immer eine aktive Rolle im kreativen Prozess spiele, indem ich zur Ideenfindung beitrage und Lösungen vorschlage. Es gibt also in der Tat eine Arbeitsteilung, bei der Alberto für die Kreation und Entwicklung des Designs zuständig ist und ich eher auf der Managementseite stehe. Während des Prozesses arbeiten wir aber in vielen Bereichen Hand in Hand.
Was ist euer Erfolgsrezept?
Das gibt es nicht. Es ist viel Arbeit, Anstrengung, Aufopferung und manchmal natürlich ein bisschen Glück, Schicksal hier und da. Aber es gibt kein „Mach genau das und du wirst es schaffen“.
Wie gelang euch der Durchbruch?
Es sind verschiedene Produkte oder Projekte in unterschiedlichen Phasen unserer Laufbahn. Der Hängesessel „Nautica“ für Expormim hat uns zum Beispiel ganz am Anfang sehr geholfen. Es war ein unerwarteter Erfolg und plötzlich waren wir „berühmt“. Das war sozusagen unsere Startrampe. Aber dann waren das Projekt „Das Haus“ für die imm cologne oder der Pavillon für Valencia World Design Capital zwei Meilensteine für uns, nicht nur wegen ihres Umfangs, sondern auch wegen ihrer Bedeutung und internationalen Sichtbarkeit.
Gibt es eine Frage, die ihr mit eurem Design beantworten wollt?
Nicht wirklich. Es hat mehr mit Leidenschaft und dem Ziel zu tun, mit unseren Entwürfen eine schönere Welt zu schaffen. Wir möchten NutzerInnen einzigartige und ansprechende Objekte zur Verfügung stellen, ihnen intelligente und originelle Lösungen für ihre Bedürfnisse bieten.
4. Yellowdot
Dilara Kan und Bodin Hon lernten sich am Istituto Europeo di Design in Mailand kennen – sie waren neugierig auf die Arbeit des anderen, da sie stets anders an dieselbe Aufgabe herangingen. „Wir hätten nie gedacht, dass wir das kombinieren könnten“, sagen sie rückblickend. Nach dem Master begannen sie sich zu treffen und zusammenzuarbeiten, indem sie sich bei ihren Projekten halfen. Das Ehepaar gründete 2017 das Studio Yellowdot in Istanbul und Hongkong.
Welche Vorteile hat die Arbeit zu zweit?
Die Zusammenarbeit ermöglicht es uns, unsere Stärken zu kombinieren und kreative Lösungen zu entwickeln, die wir allein nicht erreichen könnten. Die Mischung aus unseren unterschiedlichen Perspektiven macht unser Miteinander einzigartig und spannend. Das kreative Feld und unsere Reise als unabhängiges Designstudio können sich wie eine Achterbahn anfühlen – manchmal herausfordernd und für andere schwer zu verstehen. Für uns als Paar ist alles miteinander verflochten. Dass wir einander haben, hilft uns, motiviert zu bleiben und weiterzumachen, auch wenn es mal schwierig wird.
Ist der Dialog zwischen zwei kreativen Köpfen auch mal schwierig?
Wir haben einen sehr unterschiedlichen kulturellen und pädagogischen Hintergrund – Kunst und Wissenschaft – und unsere Persönlichkeiten spiegeln diese Vielfalt wider. Manchmal sind diese Unterschiede eine Herausforderung, aber sie haben auch etwas Anziehendes, das uns zusammenführt. Am Anfang hatten wir beide unterschiedliche Herangehensweisen an Design, um Probleme zu lösen. Doch im Laufe unserer Kollaboration merkten wir, dass wir diesen Kontrast nutzen konnten. Wir fanden heraus, dass unsere gemeinsame Kreativität eine Brücke zwischen uns wurde. Jeder von uns hat seine eigenen Vorlieben und Leidenschaften, doch wenn wir einen Schritt zurücktreten, um das Gesamtbild zu betrachten, kommen die Antworten meist von selbst. Es ist eine starke Erinnerung daran, dass wir trotz unserer Unterschiede ein gemeinsames Ziel haben: Verständnis und Verbundenheit.
Wie würdet ihr eure Haltung beschreiben?
Unsere Einstellung ist eine Mischung aus Neugier, Unverwüstlichkeit und Optimismus. Bodin ist immer bestrebt, neue Ideen und Techniken zu erforschen und sich von der Welt um ihn herum inspirieren zu lassen. Ich, Dilara, liebe es, spontan zu sein, neue Materialien zu entdecken und den Mustern der Natur zu folgen. Herausforde rungen schüchtern uns nicht ein – sie beflügeln unsere Kreativität! Für uns beide sind sie Gelegenheiten zum Lernen und Wachsen. Unser Projekt „Hatch“ fängt unsere Einstellung am besten ein: Wir verwenden Eierschalen, ein all tägliches Abfallmaterial, um etwas Elegantes, Bedeutungsvolles und gleichzeitig Spielerisches zu schaffen, etwas, auf das wir stolz sind.
Was wäre als EinzelkämpferIn anders gelaufen?
Wir hätten uns auf unsere individuellen Stärken konzentriert und das Design aus sehr unter schiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Bodin hat einen Hintergrund in Industriedesign und Technik, wo er sich auf medizinische Geräte konzentrierte und sogar an Raumanzügen für die NASA in den Vereinigten Staaten arbeitete, bevor wir uns kennenlernten. Ich hingegen habe einen lebhaften künstlerischen Hintergrund, habe mich in Istanbul auf Kunsthandwerk, plastische Kunst und Innenarchitektur spezialisiert. Wenn wir unsere Stärken kombinieren, können wir technische Innovation und emotionale Tiefe miteinander verbinden. Diese Teamarbeit ermöglicht es uns, jedes Projekt aus komplementären Perspektiven anzugehen und ein Gleichgewicht zwischen Präzision und Kreativität herzustellen.
Wer hat eure Arbeit nachhaltig beeinflusst?
Wir haben uns von vielen historischen Paaren inspirieren lassen, darunter Charles und Ray Eames, Salvador DalÍ und Gala, Christo und Jeanne-Claude. Diese multidisziplinären Duos überwinden in ihrer Arbeit und in ihrem Privatleben Grenzen und inspirieren sich gegenseitig in ihrer Kreativität.
5. PanterTourron
Stefano Panterotto und Alexis Tourron (PanterTourron) lernten sich während ihres Masterstudiums an der ECAL in Lausanne kennen. Schnell fanden sie eine gemeinsame kreative Vision. Gegen Ende des Studiums erhielten beide den Prix Vacheron Constantin – diese Anerkennung motivierte sie, 2015 ihr Studio in Lausanne zu gründen.
Wie genau funktioniert eure Zusammenarbeit?
Bei uns gibt es keine festen Rollen. Wir sind in einem ständigen Austausch von Ideen – und das in einer Endlosschleife von technischen Referenzen und der Erforschung von Formen.
Was war eure beste gemeinsame Idee?
Unsere beste Idee war es, ein multidisziplinäres Studio zu gründen, das in verschiedenen Bereichen wie Tech -Design, Mode und Möbel tätig ist. Dieser Ansatz schafft nicht nur eine stabilere Geschäftsgrundlage, sondern fördert auch ein reichhaltiges kreatives Umfeld, das es uns ermöglicht, mit einer Vielzahl von Menschen aus verschiedenen Disziplinen zusammenzuarbeiten. Indem wir eine Brücke zwischen diesen unterschiedlichen Welten schlagen, öffnen wir die Tür für neue Ideen und regen den technischen Austausch an, der zu neuen Chancen führt.
Ist es als Team einfacher, Erfolg zu haben?
Unbedingt! Wir glauben fest an die Kraft der Teamarbeit. Sie liefert wertvolles Feedback, das hilft, Konzepte zu verfeinern und Zweifel zu überwinden. Außerdem stärkt das gemeinsame Erleben von Höhen und Tiefen unsere Verbun denheit. Schließlich ist es diese gemeinsame Reise, die den Erfolg noch bedeutungsvoller macht.
Welche Lösungen wollt ihr mit eurem Design anbieten?
Unser Ziel ist es, hochgradig kreislauffähige Produkte ebenso zu entwerfen wie Erfahrungen. Wir wollen neue Archetypen schaffen, die über die traditionellen Formen hinausgehen und sich mit den heutigen Herausforderungen der Nachhaltigkeit und den sich verändernden Verhaltensweisen befassen. Durch die Kombination von Erkenntnissen aus den Bereichen Technik, Mode und Möbel verschieben wir Grenzen, um neue, sinnvolle Standards zu setzen. Diese neuen Archetypen werden Funktion, Nachhaltigkeit und Kreativität zusammenbringen und dadurch eine durchdachtere sowie anpassungsfähigere Zukunft im Design gestalten.
Welche DesignerInnen sind eure Vorbilder?
Das Erbe von DesignerInnen wie Charles und Ray Eames, Charlotte Perriand und den Gebrüdern Castiglioni ist eine große Inspirationsquelle für uns, sie stehen für Funktionalität mit Eleganz und Schlichtheit.