Das Gerling Quartier
Das Gerling Quartier in Köln, das jetzt geräumt und umfunktioniert wird, ist eins der grössten Baudenkmäler aus den frühen Jahren der Bundesrepublik. Grosse Teile stehen unter Denkmalschutz - und erzählen eine Geschichte von Naziästhetik und 50er-Jahre-Charme, Optimismus und Unternehmergeist, rasantem Aufstieg und jähem Fall.
Bald dröhnen Baumaschinen im weitläufigen Areal des Gerling Quartiers, das eine kleine Stadt in der Stadt bildet, mitten in Köln, wenige Minuten vom Dom entfernt. Das Ensemble aus Bürobauten mit einem Hochhaus und einem Ehrenhof samt Brunnen in der Mitte und viel Kunst am Bau ist 46 000 Quadratmeter weit, Fassaden aus trutzig grauem Muschelkalk geben der ehemaligen Versicherungszentrale einen geschlossenen und etwas verschlossenen Charakter. Die Versicherer, es waren einmal über 5000, sind ausgezogen, ihre Burg wird umfunktioniert. Mit Respekt – denn alles, was hier in den 50er-Jahren entstand, steht unter Denkmalschutz. Der Mann, der dieser Baurarität den Namen gab, war Hans Gerling, ein Vorzeige-Unternehmer, ein Konzernherr wie aus dem Bilderbuch: stets im Maßanzug, helle Brille, die Haare akkurat nach hinten gebürstet, flottes Oberlippenbärtchen. Sehr leutselig war er nicht, aber durchaus sozial engagiert, wie zahlreiche Reden beweisen.
Seine stolze Zentrale sollte nicht nur Außenwirkung zeigen, sie sollte auch eine standesgemäße, angenehme Arbeits-Heimat für seine Mitarbeiter bieten. Posthum wurde Gerling in die Ruhmeshalle der Bundesrepublik aufgenommen – als eine der Galionsfiguren der Wirtschaftswunderzeit, der Adenauer- und-Erhard-Ära, des selbstbewussten „Wir sind wieder wer“. Das Unternehmen hatte der Großvater 1904 gegründet – mit ganzen 100 000 Goldmark Eigenkapital. Er kaufte alsbald ein Stadtpalais und begann, um das Geld vor der Inflation zu retten, in den späten 20er-Jahren mit Erweiterungsbauten. Nach dem Krieg übernahm Hans Gerling, promovierter Volkswirt (Titel der Doktorarbeit: „Geldwert und Arbeitslosigkeit“) und gerade 30, mit alliierter Genehmigung das Neugeschäft. Mit zehn Mitarbeitern fing er an und schuf kontinuierlich ein blühendes Unternehmen, das in besten Zeiten allein in Köln über 5000 Menschen beschäftigte. Dabei hatte er noch ein anderes Faible: „Wenn ich nicht die Leitung des Konzerns hätte übernehmen müssen, wäre ich sicher Architekt geworden.“