Ein Sommertraum auf Mallorca von Jochen Lendle
Jochen Lendle ist ein begeisterter Gleitschirmflieger. Er betrachtet Mallorca regelmäßig von oben. „Es gibt auf der ganzen Insel kein vergleichbares Grundstück“, sagt der Architekt über die Küstenklippe nahe des Ortes Llucmajor. Das Areal, auf dem Jochen Lendle eine eingeschossige Villa mit einer Wohnfläche von 1100 Quadratmetern entwarf, konnte er demnach vorher auch aus der Luft genauer studieren. Es befindet sich in 105 Meter Höhe über einem wilden Strandabschnitt im Südwesten der Baleareninsel. „Ich habe mich bei den Raumlösungen und auch bei der Gestaltung von Außenbereich und Garten ganz von dieser einzigartigen Lage und den klimatischen Bedingungen leiten lassen. Es ist ein Traumprojekt.“
Aus der Vogelperspektive betrachtet ist die Villa in Form des Buchstaben „h“ angelegt. Es sind zwei zueinander verschobene Riegel. Der „Tages-Riegel“ ist dem Meer zugewandt, der „Nacht-Riegel“ zur Landseite. Zwischen den Gebäudeteilen liegen zwei lichtdurchlässige Patios, die das Raumgefühl auf dem schmalen Grund optisch anreichern. Eine Glasfront mit der ungewöhnlichen Länge von 136 Metern unterstützt diesen Eindruck nachdrücklich. Lendle spricht von einer „Pavillon-Architektur mit Weitblick“. Der architektonische Clou sind die weiß verkleideten, überhängenden Dächer, die bis zu einer Spannweite von sieben Metern das Anwesen prägen. Sie laufen spitz auf das steil abfallende Ufer zu, spenden Schatten in der balearischen Hitze, schaffen zugleich eine Verbindung zum unendlich wirkenden Horizont. Es sind massive Stahlkonstruktionen, die jedoch wie leichte, aufgeblähte Segel im Wind wirken. Das ist eindeutig die Handschrift von jemanden, der sich mit Winden und Thermik gut auskennt. Die Segeldächer, so der Hobby-Gleitflieger, sollen die Patios „mit Leichtigkeit umarmen“.
Wasser als durchgehendes Element
Das Meer ist auf dem Anwesen eines Schweizer Bauunternehmers allgegenwärtig. In sinnlicher Hinsicht rauscht es sogar durch das Gebäude. Durch den „Tages-Riegel“, ein mit puristischem, hellem Interieur ausgestatteter Wohnbereich mit offener Küche, zieht sich ein langgezogener Pool. Wer hier sitzt, blickt aufgrund der exponierten Position, direkt an der Klippenkante, hinunter auf den Strand. Der fensterlose „Nacht-Riegel“ aus Naturstein schützt zur Landseite hin dieses einzigartige, offen angelegte Refugium. Vor dem Haus ist ein künstlich angelegter Wasserstreifen zu überwinden, wobei die reizvolle Abgrenzung zugleich eine stilistische Brücke darstellt. Lendle: „Das Medium Wasser durchdringt als zentrales Gestaltungselement vom Meer aus den ganzen Baukörper über die Langsachse des Grundstücks hindurch.“
Mit seinem Büro „Jle architects“ entwirft Jochen Lendle seit mehr als 20 Jahren Privatvillen und Feriendomizile auf Mallorca, mit seiner Familie lebt er in einer neu errichteten modernen Finca nahe Felanitx. Diese Expertise und die ausgeprägten Orts- und Sprachkenntnisse haben dem Architekten, der in Barcelona studiert hat, auch bei der Umsetzung des Bauprojektes auf der exklusiven Klippe von Llucmajor maßgeblich geholfen. „Das Haus ist konsequent von außen nach innen gedacht, wie es der spanischen Mentalität entspricht. In Deutschland ist es meistens andersherum.“ So bezieht der Entwurf konsequenterweise auch den Innenausbau sowie die fast 2000 Quadratmeter große Freifläche mit ein. Zwischen Natursteinmauern und asymmetrisch verlaufenen Holzstegen hat Lendle den kahlen Felsgrund reizvoll begrünt. Es ist ein konzipierter Garten aus Bambus, Sträuchern und Bäumen, der sich auf natürliche Weise zwischen die Flachbauten schmiegt – als wäre er schon vor dem Gebäude dagewesen.
Die Natur regelt das Raumklima
Die Meeresbrise täglich einatmen und das Wohnklima weitgehend der Natur überlassen: Auch diese Prämissen entsprechen dem Von-außen-nach-innen-Ansatz. Die Sonne wird durch Schattenspender gebrochen und über Kollektoren gespeichert. Die vom Ufer hochsteigende Luft sorgt auch im Hochsommer für angenehme Frische. Nachhaltige Baumaterialen und Energieeffizienz greifen clever ineinander. „Der Bauherr bestand auf den Einbau einer Klimaanlage, was aus meiner Sicht nicht unbedingt erforderlich war, weil sich die Temperaturen zu allen Jahreszeiten selbst gut regeln“, sagt Lendle, „und ich sollte im Nachhinein Recht bekommen: Die Familie schaltet die Klimaanlage nie an.“