Casa di Vittorio: Römische Ruhe und Kunstoase
Die kleine Auffahrt wird gesäumt von Zypressen und Olivenbäumen. Während man sich der Villa „Casa di Vittorio“ nähert, wandert der Blick über eine fruchtbare Hügelkette, wo entlang des Flusses Aniene, einem Nebenarm des Tiber, angenehmere Temperaturen als in der nahen, oft stickig-heißen Hauptstadt herrschen. Genau wie Besitzer Vittorio Proietti Tocca schätzten schon die wohlhabenden Bürger des antiken Roms das nahe Tivoli und seine Umgebung. Sie fanden Kühle, Abgeschiedenheit und Ruhe. Kaiser Hadrian besaß hier eine prächtige Sommerresidenz, deren Ruinen zu den archäologisch bedeutendsten Stätten Italiens zählen.
Der Neubau auf einem Hügel im Ort Palombara nördlich von Tivoli versteckt sich hinter einer üppiger Vegetation und schattenspendenden Bäumen. Der eingeschossige Bau mit einer Fläche von 130 Quadratmetern ist so ausgerichtet, dass die Landschaft ins Innere gezogen wird und man sich ihr im Wechsel der Jahreszeiten eng verbunden fühlt. Ein Leben im Garten, das durch ein fein abgestimmtes, stilvolles Interieur bereichert wird.
Die Natur gibt die Farben vor
Der Hauptraum ist ein Konstrukt aus Stahl und Glas mit Zugang zur Terrasse, in dem sich der Wohn- und Speisebereich befindet. Daran schließen sich die Küche und drei Gästezimmer mit Bädern an. Sowohl vom langen Esstisch als auch von der Sitzgruppe aus fallen die Blicke in den Garten. Unmittelbar vor den bodentiefen, großen Fenstern in der „Halle“ hat das Büro Mob Architects (Rom) einen besonderen Blickfang platziert – einen runden, schwebenden Kamin, der den Stahlträgern die Schwere nimmt und sich einreiht in ein originelles gestalterisches Konzept zwischen Harmonie und dezenter Brüche. Dieses stammt von der Mailänder Innenarchitektin Alessia Garibaldi.
„Die Räume sind bewusst einfach und nüchtern. Ein Sideboard, eine Vintage-Lampe, ein Lesesessel – alles suggeriert eine Ruhe, die wir in den Städten zunehmend vermissen“, erklärt Alessia Garibaldi, die in der Design- und Fashionmetropole Mailand die Einrichtung einiger Showrooms und Hotels konzipiert hat. Für das Landhaus leitete Garibaldi die verwendeten Materialien und Farben aus der umgebenden Natur ab, vom Grün der Olivenbäume bis zu den unterschiedlichen Erdfarben. Auch ein Taubengrau taucht auf: „Der Boden sieht hier so aus, wenn er im Winter abkühlt.“ Die Fläche vor dem luftigen Landhauskamin betont die Innenarchitektin mit einem souveränen Griff in die Designhistorie: Thronend auf einem runden, dezent roten Teppich, werden zwei Utrecht-Sessel von Cassina in grünem Samt zum Kommunikationsfixpunkt des Raumes, der mit Eichenparkett im Chevron-Muster ausgelegt ist.
Landleben mit Stil und Eleganz
Als internationale Führungskraft der Luxus-Modemarke Ermenegildo Zegna ist der Eigentümer der Villa eng mit Mailand verbunden. Mit seinem neuen Wohnsitz in der Region Latium, wo er aufwuchs, hat sich Vittorio Proietti Tocca einen neuen Rückzugsort für entspannte familiäre Momente geschaffen. Gleichzeitig möchte er sich auch hier der Metropole und der Designwelt verbunden fühlen. „Auf dem Land leben, ohne den Hauch von Eleganz zu verlieren“, umschreibt Alessia Garibaldi die Herausforderung, mit dem vielreisenden Modemanager das innenarchitektonische Konzept zu erarbeiten.
In die fein aufeinander abstimmten regionalen Materialien und die naturreflektierende Farbwelt ist eine Sammlung von Kunstgegenständen, Skulpturen und individuellen Verspieltheiten integriert worden. Sie ist einerseits stark mit der Region nordöstlich von Rom verbunden, spiegelt jedoch zugleich auch den eigenen Charme und die große Weltoffenheit des Besitzers wider. So wird die hohe Wand hinter dem Esstisch aus dunkler Eiche, getragen von weißen Beinen aus Brescia-Marmor, für ein Schaubild genutzt, das unterschiedliche Epochen zusammenführt: Vertikal angebrachte Stückfries-Platten, geschmückt mit Ornamenten aus dem 19. Jahrhundert, stoßen dabei an kubistische Sockel, auf denen Skulpturen antiken Ursprungs stehen. Sie ragen förmlich aus der Wand – als Talismane, die die Bewohner des Hauses vor Unheil schützen sollen.
Der Stilmix setzt sich in den Schlaf- und Gästeräumen fort. Einzelne Einrichtungsstücke asiatischer oder arabischer Herkunft sind Erinnerungen an Reisen oder längere Auslandsaufenthalte. Während man in einem Zimmer unter einem geknüpften Berberteppich aus den 1940er-Jahren schläft, wird das Kopfteil im benachbarten Raum von einer länglichen Wandskulptur der australischen Aborigines gebildet. Hier wohnt jemand, der mit kindlicher Freude an seinen Geburtsort zurückgekehrt ist – ein Heimatverbundener, der zugleich den Erfahrungsschatz eines Kosmopoliten in sich trägt.