Architektur
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Das neue Büro von Stararchitekten Bjarke Ingels ist eine architektonische Festung in Rohbeton

Bjarke Ingels Group ist dafür bekannt, mit seiner Architektur für Aufsehen zu sorgen, und das BIG-Hauptquartier bildet da keine Ausnahme. Die Geschichte des Hauptsitzes des Architekturbüros in Nordhavn, einem modernen Viertel in Kopenhagen, ist zugleich eine Erzählung über Geschmack, Beton, Nachhaltigkeit – und darüber, wer letztendlich entscheidet, was gebaut wird.
Text Yvonne Dewerne
Datum05.09.2024

Das neue Hauptquartier des dänischen Stararchitekten Bjarke Ingels, bekannt als BIG HQ, ist ein markanter Blickfang im neu entwickelten Stadtteil Nordhavn in Kopenhagen. An der Spitze des Hafenkais Sundmolen gelegen, ragt das Gebäude als Solitär in die Meerenge Öresund und nutzt seine exponierte Lage voll aus, ohne Rücksicht auf bestehende Strukturen nehmen zu müssen.

Anscheinend aus Fertigteilen übereinandergestapelt, wurde das Big Headquarter tatsächlich als ein einziges Ganzes aus Ortbeton gegossen.

Der Bau beeindruckt durch seinen rohen Sichtbeton, der sowohl innen als auch außen dominiert. Aufeinander gestapelte, massive Betonfertigteile verleihen der Struktur nicht nur Stabilität, sondern formen auch ein Schachbrettmuster aus Fensterbändern und soliden Flächen. Diese Anordnung erinnert an eine moderne Interpretation des Brutalismus, wobei die großen Glasflächen den strengen Beton kontrastieren. 

Die Stahltreppe zieht sich durch das ganze Gebäude.

Das siebenstöckige Gebäude bietet auf jeder Etage direkten Zugang zu Terrassen, die sich stufenweise miteinander verbinden. Diese begrünten Terrassen ziehen sich vom Kai bis hinauf zu einem Dachgarten, der mit Bäumen, Holzstegen und Solarpanels ausgestattet ist. Besonders bemerkenswert ist, dass Bjarke Ingels Group bei diesem Projekt für alle Details verantwortlich war – von der Landschaftsgestaltung bis hin zu den kleinsten Designelementen wie den Türgriffen.

Die breiten Panoramafenster rahmen eindrucksvolle Ausblicke in alle Richtungen des Hafens.

Big HQ: Beim Innenraum geht man andere Wege 

Das neue Hauptquartier der Bjarke Ingels Group in Nordhavn hebt sich nicht nur architektonisch ab, sondern auch durch seine außergewöhnliche Innenraumgestaltung. Eine massive, offene Stahltreppe durchzieht das gesamte Gebäude und wirkt wie eine skulpturale Installation. Die Treppe verläuft scheinbar willkürlich von einer Ebene zur nächsten und hat einen Schiffs-Charakter. Die weitläufigen Atrien haben aufgrund der Größe etwas Kathedralenhaftes. Während viele moderne Bürogebäude auf luftige, holzbetonte Innenräume setzen, geht BIG einen bewusst konträren Weg. Statt warmem Holz dominiert hier der rohe, unverkleidete Beton. Diese Ästhetik schafft einen spannenden Kontrast zu den natürlichen Oasen, die in vielen anderen Gebäuden anzutreffen sind. Wo andere auf Gemütlichkeit setzen, spielt Ingels mit der Idee des Minimalismus, was dem Entwurf einen ironischen und zugleich provokativen Anstrich verleiht. Die monumentale Betonstruktur des Gebäudes reflektiert zugleich das industrielle Erbe des Hafengebiets, wo alte Silos und Lagerhallen inzwischen in moderne Wohn- und Arbeitsräume umgebaut wurden.

Sowohl im Außen- als auch im Innenbereich des Bürogebäudes dominiert der Sichtbeton.

Kampf um Genehmigung: Ästhetik vs. Nachhaltigkeit

Der Weg zum Bau des BIG Headquarters war alles andere als geradlinig. Die ersten Entwürfe von Bjarke Ingels wurden von der Stadt Kopenhagen abgelehnt – die Kritik war eindeutig: Das Gebäude sei nicht nur ästhetisch fragwürdig, sondern auch nicht nachhaltig genug. Zwischen den Architekten und den lokalen Entscheidungsträgern entbrannte ein hitziger Schlagabtausch. Vor allem die Frage, wie viel Einfluss Nachhaltigkeit auf die Bauweise haben sollte, stand im Fokus. Kopenhagen strebt an, bis 2025 klimaneutral zu sein, und ein massiver Betonbau ohne klare ökologische Ausrichtung war in den Augen der Stadtverantwortlichen kein Vorzeigeprojekt. Vor allem in Anbetracht, dass Kopenhagen im Jahr 2023 von der UNESCO zur Weltstadt der Architektur gekürt wurde. 

Zusätzlich wurde das Design als unpassend für die moderne dänische Architektur gesehen, die international als innovativ, ästhetisch und ökologisch vorbildlich gilt. Um das Projekt doch noch zu retten, überarbeitete BIG seine Pläne und legte detaillierte Nachweise für die Nachhaltigkeitsaspekte des Gebäudes vor. Gleichzeitig präsentierte das Architekturbüro neue Visualisierungen des Gebäudes, die bei den Lokalpolitikern auf mehr Zustimmung stießen. Heute steht das BIG HQ in Nordhavn – ein imposantes Bauwerk, das nicht nur in der Architekturwelt für Aufmerksamkeit sorgt, sondern auch als Symbol für die komplexe Beziehung zwischen kreativer Vision, städtischer Bürokratie und den hohen Anforderungen an Nachhaltigkeit in einer sich verändernden Welt.

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