Architektur
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Anima: André Hellers afrikanischer Garten Eden

Botanische Inszenierung? Kunstpark? Ein magischer Ort der Sinnlichkeit? Der Garten Anima nahe der Stadt Marrakesch ist eine Mischung aus allem – und vor allem das persönlichste Werk des österreichischen Universalkünstlers André Heller.
Text Uwe Killing
Datum28.06.2022

Der in diesem Jahr 75 Jahre alt gewordene gebürtige Wiener hat seit einiger Zeit seinen Lebensmittelpunkt ins nordafrikanische Marokko verlegt. Im Ourika-Tal, knapp 30 Kilometer von der Metropole Marrakesch entfernt, erwarb er ein 8,5 Hektar großes Brachland, auf dem er sich einen weitläufigen Wohnsitz mit spektakulärer Aussicht auf das Atlasgebirge bauen ließ. Hier sind auch Teile von Hellers beachtlicher Sammlung zeitgenössischer Kunst untergebracht. Im Jahr 2016 schließlich erweiterte er sein Anwesen um einen Garten, den er „Anima“ taufte und – privat finanziert –  öffentlich zugänglich machte. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Albina Bauer pflanzte er dort rund 3000 verschiedene Pflanzen und Bäume an. Sie stehen inzwischen in üppig-grüner Pracht. „Es ist ein riesiger, vitaler Organismus, aus dem sich ununterbrochen Neues und Blühendes entwickelt“, sagt André Heller stolz.

Natur und Kunst im Austausch

Der weit gereiste André Heller, bekannt für spektakuläre Ausstellungen und genre-übergreifende Großprojekte („Africa! Africa!“), hat das Dickicht des Anima-Gartens mit verschiedenen Skulpturen und architektonischen Spielereien durchsetzt. Das kannte man schon aus dem Park seiner herrschaftlichen Villa am Gardasee, seinem langjährigen Domizil, das Heller zugunsten seiner neuen Heimat aufgab. Dennoch wirkt die von Heller konzipierte Kunst in Marokko ganz anders: organischer, stimmiger und lebendiger. Ein mit Flora umwucherter Torbogen, in dem Augenschlitze ruhen, verstärkt den Eindruck, als blicke die Gartenlandschaft von Anima auf den Betrachter zurück.

Erdköpfe aus Kamerum waren das Vorbild für eine mächtige Skulptur, aus deren Mund das für den Wüstengarten so kostbare Nass in Form von geheimnisvollen Nebelschwaden dringt. Baumstämme werden zu bunten Kunstlanzen, Kegel und Figuren fügen sich in Reih und Glied zu einer Formation beeindruckend geformter Kakteen. In Anima stehen keine Kunstwerke in einer Parklandschaft, hier tritt vielmehr die Natur in einen fruchtbaren Dialog mit der Kunst. Spannend für Menschen mit Gartenfaible, Kunstleidenschaft, Naturbezug, Ästhetik, kultureller Offenheit.

André Heller spricht selbst von einem „Wunder“, das sich in seiner Wahlheimat vor seinen Augen abspielt: „Ich durfte in meinem Leben so viel ausprobieren, immer auf der Suche nach dem Gold der Freude. Ich habe wie ein Alchimist unterschiedliche Erfahrungsstoffe gemischt und auf eine unvergleichlich wertvolle Entdeckung gehofft. Doch das einzig restlos überzeugende Gold, das ich nach langer Suche schließlich fand, ist die positive Macht der Natur.“

Ein Ort verborgener Geheimnisse

Diese Macht, die heilende Wirkung freisetze, so Hellers Überzeugung, soll sich auf die Besucher von Anima übertragen: „Ein Garten ist unter anderem eine Stradivari, auf der Winde und Vögel musizieren, und wir Menschen besitzen unseren Augen, die Nase, die Ohren, die Hände als Präzisionsinstrumente, die die unglaublichsten Nuancen wahrnehmen dürfen, wenn wir uns ernsthaft darauf einlassen. Der Garten hat neben den Pflanzen und Kunstwerken so unendlich viele weitere Mitwirkende: die unterschiedlichsten Tiere, die verschiedenen Wetter, die Tänze der Blätter und Gräser, die verborgenen Geheimnisse beim Wurzelwerk.“

Um Anima als Garten zu pflegen und als Erlebniswelt mit angeschlossener Galerie und dem Café Paul Bowles zu unterhalten, hat André Heller ein Netzwerk aus lokalen Gartenkräften und Handwerksbetrieben aufgebaut: „In der Summe ernährt es rund 1000 Menschen aus der Umgebung.“

Der Garten Anima ist ganzjährig geöffnet (9-17 Uhr), ab Marrakesch fährt ein kostenloser Shuttle-Bus. Informationen unter: anima-garden.com.